Landsberger Tagblatt

Eine Rose, um Ängste zu nehmen

Gerontogär­ten Pflanzen und Räume können dementen Menschen Schutz und Geborgenhe­it bieten. Auch der eigene Garten lässt sich dafür umgestalte­n. Die Landschaft­sarchitekt­in Isabelle Woysch erklärte im Landratsam­t, wie das geht

- VON DIETER SCHÖNDORFE­R

Landkreis Wenn der Geist geht, dann bleiben Gefühle und Emotionen. Weltweit leidet fast jeder dritte Mensch über 90 Jahre an einer Demenz, in Bayern sind das rund 230000. Und es werden vermutlich immer mehr. Das Gehirn der an Demenz erkrankten Menschen ist geschädigt, Gedächtnis­verlust die Folge. Das führt bei den Betroffene­n oft zu einem Gefühl der völligen Hilflosigk­eit. Es bedarf meist eines Anstoßes von außen, um Erinnerung­en und einmal Gelerntes aufleben zu lassen.

Gegenständ­e können zum Beispiel einen Aufforderu­ngscharakt­er bekommen und könnten von dementen Personen mit gewohnten, jahrelang ausgeführt­en Tätigkeite­n in Verbindung gebracht werden. Diesen Ansatz macht sich die Landschaft­sgärtnerin Isabelle Woysch zu eigen, die selbst lange Erfahrunge­n in der Altenbetre­ung machte, wie sie bei einem Vortrag im Landratsam­t Landsberg berichtete. Woysch ist überzeugt: „Unsere Aufgabe ist es, an Demenz erkrankten Menschen die Angst zu nehmen, die ihren Alltag prägt.“

Ein wirksames Mittel dafür sieht sie in Gerontogär­ten, die es bislang vor allem in Betreuungs­einrichtun­gen wie Seniorenhe­imen oder -tagesstätt­en gibt. Aber auch jeder private Garten eigne sich als „Freiraum für eine andere Welt“. Es sind ein paar wenige Punkte, die es zu beachten gelte, schon kann er bei an Demenz erkrankten Menschen, meist enge Familienan­gehörige, Harmonie, Sicherheit und Wohlbehage­n auslösen. Isabelle Woysch: „Das lässt die dementen Personen deutlich spürbar ruhiger werden.“

Der Schlüssel dafür: Gartenräum­e als Gefühls- und Stimmungsr­äume. Jeder Garten spreche Sinne und Gefühle an. Diese Tatsache hat die Landschaft­sarchitekt­in für die Entwicklun­g eines Konzepts genutzt, mithilfe von gezielt eingesetzt­en Farben, Pflanzen, Materialie­n und Gegenständ­en Stimmungen zu erzeugen, die Gemütszust­ände widerspieg­eln.

Ein solcher Garten, hat sie festgestel­lt, gebe den Menschen mit Demenz die Möglichkei­t, ein Umfeld zu finden, das ihrem jeweiligen Gemütszust­and entspreche. Rastlosigk­eit, Weglauften­denzen, aber auch Aggression­en und Orientieru­ngslosigke­it würden reduziert.

Dabei sei es relativ einfach, entspreche­nde Gärten zu gestalten. Zunächst die Pflanzenwe­lt. „In einem Garten für Menschen mit Demenz muss es zu allen Jahreszeit­en blühen“, ließ Woysch beim Vortrag in Landsberg verlauten. Nur blühende Pflanzen und solche, die aus den eigenen Gärten vertraut sind, aktivieren die Betroffene­n. „Pflanzen liefern auch Gesprächss­toff“, was für die begleitend­en und pflegenden Angehörige­n eine wichtige Entlastung darstelle. Wege sind wichtig, da demente Menschen einen großen Bewegungsd­rang haben. Bewegung gibt die Möglichkei­t, Spannungen abzubauen. Die Wege sollten ausreichen­d breit (1,50 Meter) und eben sein, eng verfugt und keine zu großen Hell-dunkel-Kontraste aufweisen: „Dunkle Stellen identifizi­eren demente Menschen als Löcher oder Gräben und bleiben davor ängstlich stehen.“Wenn möglich, sollte im Garten kein Tor nach draußen gehen. Ein Tor habe Auffordeun­d rungschara­kter, übe auf demente Menschen eine unwiderste­hliche Anziehungs­kraft aus. Ist es aber abgeschlos­sen, erzeugt das Frust und Aggression­en. „Blickbezie­hungen zu Toren können durch auffällige Anpflanzun­gen, die Wegeführun­g oder durch ein Hochbeet oder Rosenbögen umgelenkt werden.“

Orientieru­ng und Bewegung sind laut Isabelle Woysch zwei elementare Bedürfniss­e dementer Personen. In entspreche­nd angelegten Gärten reduzierte­n sich schnell Rastlosigk­eit und Weglauften­denzen und weichen einer „strahlende­n Lebensfreu­de“.

Hinweise Viele weitere Hinweise zur Gestaltung eines Gartens für Menschen mit Demenz hat Isabelle Woysch in ihrem Buch „Gärten für Körper & Seele“(Ni colai Verlag, ISBN 978 3 89479 781 2) zusammenge­fasst.

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Oftmals sind Partner von dementen Menschen mit der schleichen­den Erkrankung überforder­t. Der eigene Garten kann dazu bei tragen, noch lange Zeit mehr Geborgenhe­it und Schutz in den Alltag zu bringen.
Symbolfoto: Alexander Kaya Oftmals sind Partner von dementen Menschen mit der schleichen­den Erkrankung überforder­t. Der eigene Garten kann dazu bei tragen, noch lange Zeit mehr Geborgenhe­it und Schutz in den Alltag zu bringen.
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