Wenigstens das Seepferdchen
Landtag Warum können so viele Kinder in Bayern nicht sicher schwimmen? Diese Frage treibt auch die Politik um. Welche Lösungen sie vorschlägt
München Können Bayerns Schulkinder gut genug schwimmen? Und reicht der Schwimmunterricht in den Schulen aus, um mögliche Defizite zu beheben? Zwei wichtige Fragen, die SPD, Grüne und Freie Wähler im Landtag eindeutig mit Nein beantworten: Wie überall in Deutschland sei auch in Bayern das Schwimmenlernen bei Kindern stark rückläufig, kritisierte etwa der SPD-Abgeordnete Paul Wengert schon im Sommer im Landtag – und verwies auf eine Umfrage der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). Demnach sind 59 Prozent der zehnjährigen Kinder keine sicheren Schwimmer. Nur vier von zehn Grundschülern besitzen ein Jugendschwimmabzeichen. Auch eine deutschlandweite Studie des renommierten Robert-Koch-Instituts legt Defizite bei der Schwimmfähigkeit von Kindern offen: Demnach können gut 60 Prozent der fünfund sechsjährigen Kinder nicht schwimmen – und immer noch knapp 15 Prozent der Sieben- bis Zehnjährigen.
Größenordnungen, die auch für Bayern gelten dürften. Dabei ist die Schwimmfähigkeit laut Kultusministerium „originärer Bestandteil des Sportunterrichts“in Bayern. „Im Lehrplan stehen wunderbare Dinge. Doch die Realität ist oft leider eine andere“, kritisiert der Grünen-Bildungsexperte Thomas Gehring. So musste das Kultusministerium auf Anfrage der Freien Wähler einräumen, keine Kenntnis über den tatsächlichen Schwimmunterricht an Bayerns Schulen zu haben. Über die Verankerung im Lehrplan hinaus gebe es zudem „keine Maßgabe zu konkreten Stundenumfängen“. Im Klartext: Ob und wie viel Schwimmunterricht stattfindet, liegt allein bei den einzelnen Schulen.
Die Freien Wähler verlangen deshalb nun klare Vorgaben und eine effektive Erfolgskontrolle: „Bis zum Ende der vierten Klasse sollte jedes Kind den Freischwimmer erreichen“, fordert Michael Piazolo von den Freien Wählern. Zudem solle das Ministerium für kleinere Gruppen mit maximal 15 Kindern im Schulschwimmen sorgen. Die Grünen würden sich schon mit dem „Seepferdchen“als Beleg erfolgreichen Schwimmunterrichts zufrieden geben. Dieses Abzeichen sei schließlich die Minimalanforderung, „um die Sicherheit der Kinder zu gewährleisten“, findet Gehring.
Gegen den Willen der CSU hat die Opposition zudem kürzlich eine Expertenanhörung im Landtag zur Schwimmfähigkeit in Bayern durchgesetzt. Der Schwimmunterricht scheitere nämlich allzu oft schon an der fehlenden Verfügbarkeit geeigneter Bäder, kritisiert die Opposition. In der Tat hatte die Staatsregierung bereits im Frühjahr einräumen müssen, dass rund ein Drittel der 910 öffentlichen Hallen- und Freibäder in Bayern sanierungsbedürftig ist. 51 Bäder seien gar von einer Schließung bedroht. „Der Freistaat hat eine Verantwortung für öffentliche Schwimmbäder“, findet der Grüne Gehring – auch wenn die Bäder in der Regel den Kommunen gehören. Alle Kinder hätten ein Recht darauf, schwimmen zu lernen.
Letzteres bestreitet man auch bei der CSU-Landtagsmehrheit nicht. Die Reformforderungen der Opposition weist man dort aber genauso entschieden zurück wie den Vorwurf einer mangelhaften staatlichen Unterstützung der Kommunen bei der Schwimmbadsanierung. „Die kommunale Ebene hat so viel Geld wie nie“, findet etwa der Bildungspolitiker Gerhard Waschler (CSU): Wenn eine Kommune ihr Schwimmbad wirklich sanieren wolle, „dann kann sie das auch erreichen“.
Tatsächlich bietet der Freistaat im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs für „bedarfsnotwendige Schulschwimmbäder“eine Förderquote von bis zu 90 Prozent. Erforderlich ist dafür allerdings „eine regelmäßige Nutzung von mindestens 60 Sportklassen“, so das Kultusministerium. Eine Nutzungsquote, die längst nicht jedes schulisch genutzte Schwimmbad erreicht. Die Sanierung „nicht schulisch bedarfsnotwendiger“kommunaler Schwimmbäder sei aber „grundsätzlich keine originäre Aufgabe“des Freistaats.
Allerdings hat auch die LandtagsCSU die Brisanz maroder Schwimmbäder im anstehenden Wahljahr offenbar erkannt: Mit den Kommunen soll nun über eine zusätzliche Sanierungsförderung geredet werden. Selbst ein Sonderprogramm über mehrere hundert Millionen Euro scheint möglich. Darüber hinaus ist man bei der CSU der Ansicht, dass mögliche Schwimmdefizite bayerischer Kinder nicht allein ein staatliches Problem sind. „Wo bleibt denn die Verantwortung der Eltern?“, fragt etwa Bildungspolitikerin Ute Eiling-Hütig. Man könne nicht immer alles nur auf den Schulen abladen.
CSU Politikerin betont die Verantwortung der Eltern