Landsberger Tagblatt

Mathias Neuner schlägt Alarm

Familienna­chzug Der Landsberge­r Oberbürger­meister fordert in einem offenen Brief vom Staat intensiver­e Unterstütz­ung bei der Unterbring­ung von Flüchtling­en. Seiner Meinung nach sind die Kommunen nicht mehr belastbar

- VON DIETER SCHÖNDORFE­R

Landsberg Er selbst konnte an der jüngsten Bürgermeis­terdienstb­esprechung nicht teilnehmen, doch als Landsbergs Oberbürger­meister Mathias Neuner das Protokoll nachlas, traute er seinen Augen kaum. Landrat Thomas Eichinger hatte in der Sitzung nochmals informiert, dass das Landratsam­t nicht für die Unterbring­ung von Personen aus Familienna­chzügen zuständig sei. Das sei jeweils Sache der Gemeinde, in der die Personen ankommen. Gibt es für diese Personen keine Unterkunft, seien nach den Regeln für Obdachlose durch die Gemeinden unterzubri­ngen.

Für Mathias Neuner ist nun das Ende der Fahnenstan­ge, sprich der Belastbark­eit der Kommunen erreicht. „Bei uns leben 112 anerkannte Asylbewerb­er und 35 Menschen mit subsidiäre­m Schutz.“ Dazu laufen derzeit 158 Asylverfah­ren. Mit den 49 abgelehnte­n Asylbewerb­ern leben 354 Personen in der Stadt. Wenn auch der Familienna­chzug, auf den momentan die 112 anerkannte­n Asylsuchen­den ein Anrecht haben – der für Personen mit subsidiäre­m Schutz ist bis März ausgesetzt – eher gering ausfällt, rechnet Neuner im ungünstigs­ten Fall mit mindestens 500 Personen, die untergebra­cht werden müssen.

„Auf die Schnelle müssten wir aber allein für Obdachlose zwischen 200 bis 300 Wohnungen zur Verfügung stellen.“Dabei seien nicht einmal die einkommens­schwachen Bürger der Stadt berücksich­tigt, die ebenfalls preisgünst­igen Wohnraum suchen. „Die Liste der Wohnungssu­chenden ist lang.“Erst am vergangene­n Mittwoch hat die Stadt zwar beschlosse­n, zwischen 60 und 70 Wohnungen im sozialen Wohnungsba­u zu errichten (LT berichtete). Auch an der Jahnstraße entstehen derzeit 24 Wohnungen für Obdachlose, dennoch sei das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es sei schlichtwe­g unmöglich, die erforderli­chen Unterbring­ungsmöglic­hkeiten in so kurzer Zeit zu schaffen. Mathias Neuner: „Das übersteigt die Leistungsf­ähigkeit der Stadt.“

Jetzt sei die Zeit gekommen, sich gegen eine solche „Verlagerun­g der Zuständigk­eiten von oben nach unten“zu wehren. Der Staat müsse mehr Verantwort­ung übernehmen. Deshalb habe er den offenen Brief anderem auch der bayerische­n Sozialmini­sterin Emilia Müller zukommen lassen, ebenso wie den heimischen Landtags- und Bundestags­abgeordnet­en, der Regierungs­präsidenti­n Brigitta Brunner, den Oberbürger­meistern der benachbart­en Großen Kreisstädt­e, dem Bayerische­n Gemeinde- und Landkreist­ag sowie dem Städtetag und den Bürgermeis­terkollege­n des Landkreise­s. Bei Letzteren findet er auf alle Fälle Verständni­s. „Ich weiß zum Beispiel vom Kollegen Herbert Kirsch aus Dießen, dass der sich ebenfalls schriftlic­h geäußert hat.“Doch auch weitere Schreiben ähnlichen Wortlauts sind inzwischen im Landratsam­t angekommen.

Landrat Thomas Eichinger kann die Reaktion verstehen, findet sie „nachvollzi­ehbar“, wenngleich er sich über den doch „relativ späten Zeitpunkt“wundert. Auf die Prounter blematik habe er nämlich schon vor über einem Jahr hingewiese­n. Immer wieder habe er erklärt, dass er von seinen übergeordn­eten Dienststel­len darauf verpflicht­et wurde, keine neuen Wohnungen für Flüchtling­e mehr anzumieten. „Von über 100 haben wir derzeit nur noch 70.“Was den Familienna­chzug angeht, ist er froh, dass derzeit die Situation noch entspannt ist. Allerdings weiß er nicht, wie lange diese Situation so anhält: „Wenn die Verfahren beschleuni­gt werden, dann sehe ich eine Welle auf uns zurasen.“

Derzeit mussten aus Ermangelun­g an Wohnraum drei Familien in der Sammelunte­rkunft in Kaufering untergebra­cht werden, was eigentlich unzumutbar sei. „Allerdings hat mich das eigene Jugendamt mit Nachdruck darauf aufmerksam gemacht, dass sie dadurch das Kindswohl gefährdet sehen.“Ab November aber, so Eichinger, könne man die Familien dann anderweiti­g unterbring­en.

Er wäre bereit, landkreise­igene Sozialwohn­ungen zu bauen, benötige aber dazu das Mandat des Kreistags und damit der Bürgermeis­ter. Auch eine landkreise­igene Wohnungsba­ugenossens­chaft würde er gerne sehen. Dazu aber brauche er ebenfalls die Kommunen. Die einzige Gemeinde, die bislang ein Grundstück in Kooperatio­n zur Verfügung stelle, sei Schondorf gewesen.

Dass Neuner seine Kritik in einem offenen Brief und nicht persönlich äußere, nehme er nicht übel: „Als Landkreis stehe ich an der Seite der Kommunen und Bürgermeis­ter.“Allerdings verweist er darauf, als staatliche Behörde den Anweisunge­n seiner Dienstvorg­esetzten Folge leisten zu müssen. Mit Vertretern dieser Stellen, zum Beispiel der Regierungs­präsidenti­n Brigitta Brunner oder Sozialmini­sterin Emilia Müller habe er bereits wiederholt Gespräche geführt. Auch sei die Problemati­k permanent Thema im Landkreist­ag. „Wir sind kontinuier­lich dran, lösen kann das Problem aber nur der Gesetzgebe­r.“

Im ungünstigs­ten Fall sind 500 Personen zu versorgen

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Foto: Thorsten Jordan Vor gut einem Monat wurde am Neubau der Obdachlose­nunterkunf­t in der Jahnstraße in Landsberg Richtfest gefeiert. Oberbür germeister Mathias Neuner fordert jetzt mehr staatliche Unterstütz­ung beim Bau von Sozialwohn­ungen.

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