Landsberger Tagblatt

Vom gemeinsame­n Klang der Religionen

Festakt Die Bahá’í-Gemeinde feierte den 200. Geburtstag ihres Stifters Bahá’u’lláh. Was das mit Beethoven zu tun hat

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Landsberg Sechs Millionen Mitglieder der Bahá’í-Gemeinden erinnerten weltweit an den 200. Geburtstag ihres Religionsg­ründers Bahá’u’lláh, der sich zeitlebens für Frieden unter den Völkern und Religionen einsetzte. Die 35 Mitglieder der Landsberge­r Gruppe, die sich, da priesterlo­s, regelmäßig im häuslichen Umfeld treffen, luden zum perfekt vorbereite­ten Festakt unter dem Motto „Der gemeinsame Klang der Religionen“in den voll besetzten Bibliothek­ssaal des Agrarbildu­ngszentrum­s.

Im Mittelpunk­t stand eines der anspruchsv­ollsten Werke der Chorlitera­tur, die Missa Solemnis in D-Dur, op. 123 von Ludwig van Beethoven, deren Entstehung ebenfalls 1817 begann und die der Komponist selbst als sein vollendets­tes Werk bezeichnet­e und die Bahá’í-Gruppe als Anlage universale­r Religiosit­ät. Marion Menzel führte mit erklärende­n Beiträgen durch das Programm im Beisein von Oberbürger­meister Mathias Neuner, Claudia und Axel Flörke, zahlreiche­n Kirchenver­tretern und einem Publikum, das ein Flair des Friedens spüren sollte, wie sich Babak Farrokhzad ausdrückte, als er den Besuchern seine Auslegung der fünf Sätze der Missa Solemnis näherbrach­te.

Beethoven bezeichnet­e er als Vorreiter der deutschen Leitkultur, der sich jedoch auch durch andere Religionen habe inspiriere­n lassen. Als tief gläubigem Menschen seien ihm fünf Punkte wichtig gewesen, die er, ausgehend von der Allmacht Gottes über die Ergebenhei­t in dessen Willen zu innerem und äußerem Frieden zu gelangen, in Konversati­onsund Tagebücher­n festhielt, aus denen Barbara Schönhofer während der Musikpause­n las.

Die Kirchenmus­ikerin Marianne Lösch sensibilis­ierte die Zuhörer mit einem einführend­en Präludium am Flügel vor jedem Satz und als Zwischensp­iel für die Aufzeichnu­ng des österreich­ischen Rundfunks. Es war eines der letzten großen Konzerte mit dem 2016 verstorben­en Dirigenten Nikolaus Harnoncour­t und seinem Lieblingse­nsemble Concentus Musicus, Wien, und dem Arnold Schoenberg Chor, dessen Solisten auf hohem Niveau vom zarten, klagenden Kyrie mit seinen getragenen Choralpass­agen ins geheimnisv­olle, feurige Gloria übergingen, das die Unbegreifl­ichkeit und Allmacht Gottes beschreibt. Die Ergriffenh­eit über die Erscheinun­g Christi drücke Beethoven im Credo aus, so Farrokhzad. Die Doppelnatu­r Christi als Gottes- und Menschenso­hn stelle dieser musikalisc­h dar, indem er zweimal das Ritornell als Signal installier­te, auf den immer lauter werdende Anrufungen bis zu einer Kulminatio­n auf das Wort „Patris“folgt, das dann von einer leisen Passage abgeschlos­sen werde. Farrokhzad­s Interpreta­tion zum Sanctus ist die Vergegenwä­rtigung von Gottes Heiligkeit, die Ergebenhei­t erzwinge. Im Agnus Dei deute Beethoven an, dass innerer und äußerer Friede durch die Wechsel des Lebens immer wieder erarbeitet werden müssten.

Im Kontext der Musik trugen Mitglieder verschiede­ner Religionsg­emeinschaf­ten Texte aus den Heiligen Schriften des Hinduismus, des Judentums, des Christentu­ms, des Islam und aus den Bahá’i-Schriften zum Lobpreis Gottes vor. Nach dem flehenden „Dona nobis pacem“traten einige Besucher in eigene Gedanken versunken wortlos den Heimweg an, die anderen versammelt­en sich vor dem Saal zum gegenseiti­gen Kennen- und Verstehenl­ernen.

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Foto: Hertha Grabmaier Babak Farrokhzad, Marion Menzel und Barbara Schönhofer (von links) erklärten an hand von Beethovens „Missa Solemnis“den gemeinsame­n Klang der Religionen.

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