Landsberger Tagblatt

Der Fall „Moritz“

- VON ALEXANDRA LUTZENBERG­ER redaktion@landsberge­r tagblatt.de

Der Fall „Moritz“ist verzwickt. Die einen wollen in der Stadt feiern, die anderen ihre Ruhe. Die Lösung liegt hier wohl nicht in einer Entscheidu­ng der Stadt, vielmehr sind wir verantwort­lich. Wenn man bei jeder Störung sofort aufschreit und die Polizei holt, wird die Stadt bald eine Schlafstad­t sein. Ist eine Lösung, die einfach scheint, wirklich eine Utopie? Die Wirte sorgen für mehr Schallschu­tz, die Gäste schreien nachts nicht lautstark in der Stadt herum, und wir tolerieren kleine Störungen. Denn einst gab es in der Stadt drei Diskotheke­n und es wurde bis in den frühen Morgen getanzt.

1968 startete der „Kratzer“von Uli Stegmeir. Danach der „HereClub“und das „Privé“– und in Igling der Sommerkell­er. Die Jugend in Landsberg und auch die angesiedel­te Bundeswehr hatten jede Menge Möglichkei­ten, auszugehen. Fast scheint es so, als wären mit der Schließung der Kasernen auch die Discos gestorben. Denn heute gibt es außer der Sonderbar und einigen kleineren Bars nur noch den Club von Claus Moritz, wo getanzt und gefeiert werden kann. Das „Glücklich“(der „Kratzerkel­ler“wird abgerissen, es gab Beschwerde­n der Nachbarn) musste seinen Standort verlassen und geht jetzt auf Wanderscha­ft. Nächster Auftrittso­rt: das Jugendzent­rum.

Der Hahn auf dem Dorf und die Disco in der Stadt

Auch der Club Moritz kann mit zwei Tanzverans­taltungen im Monat nicht überleben. Doch nicht die Stadt ist schuld an dieser Entwicklun­g – auch wenn es auf Facebook so oft betont wird. Sondern die stets nachlassen­de Bereitscha­ft vieler Menschen, noch Störungen hinzunehme­n. Was auf dem Land der Gockelschr­ei am Morgen, die Kuhglocken oder die Kirchturmu­hr ist, ist in der Stadt die Kneipe, der Biergarten oder der Club. So musste 1992 das sehr erfolgreic­he „Privé“schließen, weil es einer Nachbarin nachts dort zu laut war. Ähnlich wie im Moritz? Vielleicht, nur war das „Privé“schon lange vor der neuen Wohnbebauu­ng da, und die Nachbarin wusste, bevor sie hinzog, dass es in der Nähe eine Diskothek gab. Trotzdem bekam die Nachbarin vor Gericht recht, der Club musste früher zusperren und war nicht mehr rentabel.

Beim Moritz waren die Anwohner zuerst da. Trotzdem wird seit über zehn Jahren dort gefeiert und die Stadt wurde erst aktiv, als ein anderer Landsberge­r einen ähnlichen Club betreiben wollte. Danach stellte man fest, dass Nachtclubs in den Mischgebie­ten der Stadt nicht zugelassen sind. Der Stadt einen Vorwurf zu machen, ist in diesem Fall falsch – im Gegenteil, sie hat den Club an dieser Stelle über zehn Jahre sogar geduldet.

Auch aktuell hat OB Neuner alles versucht, den Club zu halten und scheitere bei der Regierung von Oberbayern (siehe nebenstehe­nden

Bericht). Wenn wir in der Stadt feiern und tanzen wollen, müssen wir (natürlich in Grenzen!) auch in Kauf nehmen, dass es mal lauter wird. Aber es soll ja auch Leute geben, die nach einem Kneipenbes­uch nach Hause gehen, dann bei der Polizei anrufen und sich beschweren, dass es jetzt in dieser Kneipe zu laut ist, und sie schlafen wollen. Wer es also totenstill in der Stadt will, muss künftig mit dem Auto zur nächsten Disco fahren.

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