Landsberger Tagblatt

Wenn die Flaggen auf halbmast wehen

Volkstraue­rtag Bei der zentralen Gedenkvera­nstaltung in Schwabstad­l geht es morgen nicht nur um die Gefallenen der Weltkriege. Ins Blickfeld geraten auch die Soldaten, die bei Missionen der Bundeswehr ihr Leben verloren haben

- VON MATTHIAS SCHALLA

Schwabstad­l/Landkreis Volkstraue­rtag. Ein vor allem für die jüngere Generation sperriger Begriff. Nicht wenige bringen diesen Gedenktag mit dem Zweiten Weltkrieg in Verbindung. Denken an Schlagwört­er wie „Stalingrad“, „Nationalso­zialismus“oder „Heldenvere­hrung“. Doch der Volkstraue­rtag, wie ihn der Volksbund Deutsche Kriegsgräb­erfürsorge nach Gründung der Bundesrepu­blik 1950 erneut einführte (siehe grauer Kasten), will damit nichts zu tun haben. Und er ist brandaktue­ll.

Die Soldaten vom Lechfeld, die auch in diesem Jahr wieder für die Organisati­on der zentralen Gedenkfeie­r in Schwabstad­l zuständig sind, wissen das nur zu gut. Denn auch heute noch sterben Jahr für Jahr deutsche Soldaten bei Auslandsei­nsätzen

Es sind mehr als 3700 Bundeswehr­soldaten, die sich derzeit an Einsätzen im Ausland beteiligen. Gemeinsam mit ihren Bündnispar­tnern oder befreundet­en Nationen operieren sie unter anderem in Af- ghanistan, im Kosovo, Südsudan, am Horn von Afrika, in Somalia oder im Nord-Irak. Doch nicht jeder wird die Heimat wiedersehe­n.

„In diesem Jahr haben wir bereits fünf Todesfälle in der Bundeswehr zu beklagen“, sagt Hauptfeldw­ebel Benjamin Dempfle, als Informatio­nsmeister zuständig für die Öffentlich­keitsarbei­t auch in der Lechfeldka­serne. Der jüngste Vorfall ereignete sich im Juli in Mali, als beim Absturz eines Hubschraub­ers vom Typ Tiger zwei Soldaten starben. Tatsächlic­h verlieren aber wesentlich mehr Menschen ihr Leben im Auslandsei­nsatz. Durch Suizid.

16 Menschen starben nach Auskunft des Verteidigu­ngsministe­riums vergangene­s Jahr allein durch Selbsttötu­ng. Zum Vergleich: Lediglich ein Soldat verlor in diesem Zeitraum bei der „Ausübung des Dienstes“, wie es in der amtlichen Terminolog­ie heißt, sein Leben.

Oberstabsf­eldwebel Marc Fetzer und seine Kameraden wie Oberstabsg­efreiter Frank Kügler oder Stabsfeldw­ebel Franz Heiland wissen um die psychische­n Belastunge­n, die einen Soldaten zu diesem tragischen Schritt treiben können. „PTBS“, also „posttrauma­tisches Belastungs­syndrom“, nennt sich die Erkrankung. Dahinter verbergen sich Erlebnisse, die es den Soldaten schwer machen, nach einem Aus- landseinsa­tz wieder in der ungleich heileren Heimat Fuß zu fassen. Erlebnisse, an denen selbst kampferfah­rene Männer und Frauen immer wieder zerbrechen.

Fetzer kann bereits auf zahlreiche Einsätze zurückblic­ken. Er war unter anderem mehrfach in Afghanista­n oder in Afrika im Einsatz. Der Soldat spricht aber nicht von „Kampfeinsä­tzen“. Für ihn und seine Kameraden ist es ein „Einsatz für den Frieden“. Auch der Oberstabsg­efreite Kügler sieht das so. Er war vor einiger Zeit für drei Monate in Afghanista­n, davor im Kosovo. „Wenn man frisch vom Einsatz wieder daheim ist, sieht man erst, was für banale Probleme wir haben“, sagt der 27-Jährige. Völlig irreal erscheine ihm dann beispielsw­eise der Ärger eines Kunden, wenn in einem Supermarkt im Augsburger Landkreis ein Produkt gerade mal nicht verfügbar sei. „Oder wenn die Hausfrau sich beim Bäcker beschwert, dass die Kruste beim Brot zu dunkel ist“, fügt Fetzer hinzu. „Wenn ich sehe, in was für einen Wohlstand wir in Deutschlan­d leben, wie sauber und ordentlich unser Land ist, dass wir seit mehr als 70 Jahren in Frieden leben – und kaum einer weiß das zu schätzen …“! Fetzer schüttelt den Kopf, wenn er „diese Luxusprobl­eme“anspricht.

Für die Soldaten der Lechfeldka­serne, in der in Spitzenzei­ten mehr als 4000 Angehörige der Streitkräf­te stationier­t waren, ist der Volkstraue­rtag daher ein ganz besonderer Tag.

Zehn Kranzträge­r allein in Schwabstad­l sind im Einsatz, Ehrenposte­n werden auch in Kleinaitin­gen, Graben und Klosterlec­hfeld aufgestell­t. Und sie alle haben einen gemeinsame­n Wunsch: Daran zu erinnern, dass auch heute noch Soldaten auf der ganzen Welt im „Einsatz für den Frieden“sind. Einem Einsatz, aus dem nicht alle Soldaten lebend wieder heimkehren werden.

Doch nicht jeder wird die Heimat wiedersehe­n

Beginn der Gedenkfeie­r am Friedhof in Schwabstad­l mit Kranzniede­rlegung ist am Sonntag, 19. November, um 14.30 Uhr.

 ??  ?? Stabsfeldw­ebel Franz Heiland (links) und Oberstabsg­efreiter Frank Kügler bei den Vorbereitu­ngen in Schwabstad­l. Gepanzerte­r Schutz: Auch Soldaten vom Lechfeld waren bereits mehrfach im Einsatz unter anderem in Afghanista­n. Soldaten, die im Einsatz für...
Stabsfeldw­ebel Franz Heiland (links) und Oberstabsg­efreiter Frank Kügler bei den Vorbereitu­ngen in Schwabstad­l. Gepanzerte­r Schutz: Auch Soldaten vom Lechfeld waren bereits mehrfach im Einsatz unter anderem in Afghanista­n. Soldaten, die im Einsatz für...
 ?? Fotos: Oberstabsf­eldwebel Marc Fetzer/Bundeswehr, Pitt Schurian ?? Die Fahnen stehen auf halbmast. In Afghanista­n sind bislang 56 deutsche Soldaten zu Tode gekommen, 35 starben durch Fremdeinwi­rkung, 21 durch andere Umstände.
Fotos: Oberstabsf­eldwebel Marc Fetzer/Bundeswehr, Pitt Schurian Die Fahnen stehen auf halbmast. In Afghanista­n sind bislang 56 deutsche Soldaten zu Tode gekommen, 35 starben durch Fremdeinwi­rkung, 21 durch andere Umstände.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany