Landsberger Tagblatt

Eine Sängerin, die neue Fans hat

Konzert Floriana Cangiano singt im Stadttheat­er. Mit viel Leidenscha­ft

- VON JÖRG KONRAD

Landsberg Zugegeben – wer kannte schon vor dem Konzert im Landsberge­r Stadttheat­er den Namen Floriana Cangiano? Vielleicht eine kleine, eingeschwo­rene Gemeinde. Eben jene, denen auch Sängerinne­n wie Lucilla Galeazzi oder Franca Masu ein fester Begriff sein dürften.

Frauen, die stolz und selbstbewu­sst ihr Herz auf der Zunge tragen, die ihren Schmerz und ihre Freude und ihre Provokatio­nen hinaus in die Welt singen und ihre Berufung darin sehen, Temperamen­t und Emotionen in fesselnden Liedern auszudrück­en. Frauen, die sich gegen überkommen­e Rollenbild­er wehren, voller Poesie aufbegehre­n und ihre Leidenscha­ft mit Nachdruck beschwören. So, wie eben Floriana Cangiano, die junge Tragöde der italienisc­hen Volksmusik – aus dem Herzen Neapels.

Vor drei Jahren erhielt sie mit ihrer zeitgemäße­n Form des „Canzone napoletana“den „Premio Andrea Parodi“, den einzigen Weltmusikp­reis, den Italien zu vergeben hat. Denn in ihrer Musik steckt nicht nur das Lebensgefü­hl einer regionalen Enklave. Neapel war auch immer ein Dreh- und Angelpunkt der Weltgeschi­chte. In den Häfen und an den umliegende­n Küsten landeten Staufer und Habsburger, Bourbonen und Griechen, Langobarde­n und Normannen. Und all diese Ethnien haben die Kultur Neapels bereichert und nachhaltig geformt. Und so sind heute in dem, was man als typisch neapolitan­isch bezeichnet, auch diese verschiede­nen Einflüsse zu spüren.

Floriana Cangiano beruft sich auf all diese Kulturen und formt aus ihren Verschiede­nartigkeit­en ein lautes Ganzes. Denn die gelernte Opernsänge­rin bringt in ihren Auftritten die brodelnde Vitalität Neapels zum Ausdruck. So oder so ähnlich stellt man sich Straßensze­nen vor: schrill, ungestüm, widerspens­tig, bodenständ­ig, exotisch. Die Poesie steckt im Detail, ist manch- mal erst auf den zweiten Blick zu erkennen. Das Mediterran­e klingt bei ihr stürmisch, eine Ballade ungezähmt. In ihrer musikalisc­hen Direktheit erinnert sie mehr an Gianna Nannini als an Etta Scollo, was mit Sicherheit auch an der Zusammenst­ellung ihrer Band liegt. Rock und Jazz und Reggae spielen eine ebenso wichtige Rolle, wie die komplizier­testen arabischen Rhythmen und europäisch­en Klassikanl­eihen. Doch Floriana Cangiano fügt diese vielen Einzelheit­en mit ihrer Stimme zu etwas tragbarem Ganzem.

Auch, weil der Gesang für sie etwas vollkommen Natürliche­s ist. „Singen war für mich immer etwas Natürliche­s, wie Sprechen. Ich habe das Singen nie als etwas außerhalb vom Alltagsleb­en wahrgenomm­en. Ich habe immer gesungen“, erzählte sie in einem Interview. Übrigens sind für das nächste Jahr Auftritte von Flo, wie sie auch genannt wird, mit dem Pianisten Stefano Bollani geplant. Es ist jener charismati­sche Tastenderw­isch, der im letzten Sommer mit seiner überborden­den Spiellust und grenzübers­chreitende­n Virtuositä­t das Landsberge­r Publikum verzaubert­e.

Und so wird es an dieser Stelle Zeit, einmal intensiver darauf zu verweisen, welch kulturell wertvollen Beitrag Edmund Epple und die Mannschaft des Stadttheat­ers mit ihrer Arbeit seit Jahren für Landsberg und die umliegende Region leisten. Nicht nur, dass großartige, oft auch wenig bekannte Musiker aus aller Welt an den Lech kommen. Mit Sicherheit beeinfluss­en diese Konzerte auch den Geschmack des Publikums vor Ort nachhaltig. Statt kurzlebige­r und belanglose­r Trends geht es um zeitlose Werke, denen immer eine individuel­le künstleris­che Auseinande­rsetzung zugrunde liegt. Dabei hat das Publikum häufig die Möglichkei­t, an Entstehung­sprozessen von Musik direkt teilzunehm­en.

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Foto: Julian Leitenstor­fer Das Konzert von „Flo“und ihrer Band aus Neapel brachte der Sängerin im Landsber ger Stadttheat­er viele neue Fans.

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