Landsberger Tagblatt

Stelldiche­in in Bellevue

Regierung Bundespräs­ident bestellt Parteichef­s zum Rapport. SPD streitet über Große Koalition

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Berlin Nach dem spektakulä­ren Ende der Jamaika-Sondierung­en wird in Berlin weiter darum gerungen, ob doch noch eine Regierung gebildet werden kann oder es zu Neuwahlen kommt. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier traf am Dienstag mit den Grünen-Vorsitzend­en Simone Peter und Cem Özdemir sowie mit FDP-Chef Christian Lindner zusammen. Für Donnerstag ist ein Treffen des Bundespräs­identen mit dem SPD-Vorsitzend­en Martin Schulz geplant.

Steinmeier will ausloten, wie nach dem Abbruch der Sondierung­sgespräche über eine Jamaika-Koalition aus CDU, CSU, FDP und Grünen die Chancen für erneute Gespräche über eine Koalitions­regierung stehen. Er soll sich sogar die Papiere der Jamaika-Verhandlun­gen bestellt haben, um zu erfahren, woran die Gespräche genau gescheiter­t sind. Parteichef Schulz und die SPD lehnen bislang die Neuauflage einer Großen Koalition ab. Auch SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles sagte, dafür lasse sich aus dem Ergebnis der Bundestags­wahl kein Auftrag ableiten. Allerdings trauen sich in der SPD-Bundestags­fraktion erste Politiker, den Beschluss der Parteispit­ze gegen eine erneute Große Koalition infrage zu stellen.

So spricht sich der wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der SPD-Fraktion, Bernd Westphal, klar für Gespräche mit CDU/CSU und gegen Neuwahlen aus. „Die SPD hat sich zu weit festgelegt“, sagte Westphal dem Handelsbla­tt. Er glaube, dass noch Bewegung möglich sei. „Die SPD muss klare Bedingunge­n formuliere­n und die Union Gelenkigke­it beweisen.“Am Montag hatte die SPD-Spitze einstimmig ihr Nein zu einer erneuten Großen Koalition erklärt und betont, Neuwahlen nicht zu scheuen. Von dem Vorstandsb­eschluss lasse sich laut Westphal abrücken, wenn ein „ordentlich­es Paket“geschnürt werde, das den Parteimitg­liedern dann zur Abstimmung vorgelegt werde.

Der Rechtsexpe­rte der SPDFraktio­n, Johannes Fechner, sagte: „Die SPD sollte nicht vorschnell auf Neuwahlen drängen und das Gespräch mit dem Bundespräs­identen ernst nehmen.“Auch das Wirtschaft­sforum der SPD zeigte sich offen für Verhandlun­gen mit der Union zur Bildung einer Großen Koalition. birgt die aktuell noch unklare Lage in Berlin für einige AfD-ler Risiken. Ein Beispiel ist der Bundestags­abgeordnet­e Petr Bystron. Er hatte vor einigen Tagen seinen Verzicht auf den Landesvors­itz in Bayern erklärt. Der Spagat zwischen München und Berlin sei ihm zu viel. Bystron werden Ambitionen für den Bundesvors­tand nachgesagt. Doch wer weiß, ob er beim nächsten Mal überhaupt in den Bundestag gewählt wird. Im April war er in der Abstimmung über Listenplat­z eins überrasche­nd gescheiter­t. Am Ende reichte es noch für den vierten Platz.

Auch aus anderen Gründen wäre eine Jamaika-Koalition für die AfD komfortabe­l gewesen. Sie hätte weiter über die angebliche Konsenssoß­e des „Altparteie­nkartells“lästern und ihre „Merkel-muss-weg“-Rhetorik fortsetzen können. Wenn sich aber nun die Liberalen als standfeste Überzeugun­gstäter darstellen und bei einer Begrenzung der Zuwanderun­g in den Vordergrun­d rücken, sieht das schon anders aus. Selbst Gauland räumt ein, dass es aktuell weniger die AfD ist, die Kanzlerin Angela Merkel zusetzt, sondern eher die FDP mit ihrer Verweigeru­ngshaltung.

Poggenburg erwartet, dass die FDP bei Neuwahlen besser abschneide­n würde als im September. Dass Neuwahlen die heute fraktionsl­ose ehemalige AfD-Chefin Frauke Petry aus dem Bundestag katapultie­ren könnten, wäre für Poggenburg ein angenehmer Nebeneffek­t, ein echtes „Bonbon“, sagt er. Für Petrys neue „blaue“Partei käme eine Bundestags­wahl im April mit Sicherheit zu früh.

Anne-Béatrice Clasmann, dpa

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Foto: Jutrczenka, dpa FDP Chef Christian Schloss Bellevue. Lindner verlässt

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