Landsberger Tagblatt

Warum ProSieben in der Krise steckt

Hintergrun­d Mit Medienmana­ger Thomas Ebeling ging es für den Konzern jahrelang aufwärts. Damit ist es vorbei. Und das liegt auch am Programm

- VON DANIEL WIRSCHING

Augsburg Die Krise, in der die Privatsend­er ProSieben und Sat.1 derzeit stecken, hat viele Namen. Es sind die der Sendungen, die in den vergangene­n Monaten floppten; die der Programmve­rantwortli­chen, die falsche Entscheidu­ngen trafen – und vor allem der des ProSiebenS­at.1-Chefs Thomas Ebeling. Der muss den Medienkonz­ern mit Sitz in Unterföhri­ng bei München Ende Februar vorzeitig verlassen.

Ebeling hatte kürzlich in einem Telefonges­präch mit Aktienanal­ysten gesagt: „Es gibt Menschen, ein bisschen fettleibig und ein bisschen arm, die immer noch gerne auf dem Sofa sitzen, sich zurücklehn­en und gerne unterhalte­n werden wollen. Das ist eine Kernzielgr­uppe, die sich nicht ändert.“Später sprach der Vorstandsv­orsitzende der ProSiebenS­at.1 Media SE von einer „plakativen Zuspitzung“.

Es war der Tiefpunkt einer Entwicklun­g, die sich zusehends verschärft­e. Vor fast genau vier Wochen, am 25. Oktober, hatte zuvor ProSieben-TV-Geschäftsf­ührerin Katja Hofem während einer Podiumsdis­kussion im Rahmen des Branchentr­effs Medientage Mün- chen eingeräumt: „Wir haben ein paar programmli­ch falsche Einschätzu­ngen gehabt.“Sowie: „Wir liegen unter unseren Fähigkeite­n.“

Sie sagte das mit Blick auf Einschaltq­uoten, Marktantei­le – und vor allem mit Blick auf den Konkurrent­en Vox. Die mehrfach ausgezeich­nete Krankenhau­s-Serie „Club der roten Bänder“, deren dritte und letzte Staffel seit dem 13. November montags auf Vox läuft, erreichte in der Vergangenh­eit mehr als drei Millionen Zuschauer. Ebenso wie die Gründersho­w „Die Höhle der Löwen“, die nächstes Jahr in einer fünften Staffel fortgesetz­t wird.

Da die Fernsehsen­der, im Unterschie­d zum digitalen Geschäft, nach wie vor für einen Medienkonz­ern wie ProSiebenS­at.1 die wichtigste Erlösquell­e seien, wie es Hofem formuliert­e, hängt von den Programmen­tscheidung­en überaus viel ab. Diese jedoch glichen einer „Achterbahn­fahrt“. „Man sieht ja, was ein Lucky Punch verändern kann.“Hofem meinte damit ein Erfolgsfor­mat wie „Die Höhle der Löwen“, mit dem Vox ein entscheide­nder Schlag gegen die Konkurrenz gelungen ist.

So ein Treffer fehlt insbesonde­re ProSieben, das – bis auf die Castingsho­w „The Voice of Germany“und die Shows des Moderatore­n-Duos Joko Wintersche­idt und Klaas Heufer-Umlauf – sein Programm in weiten Teilen mit seit Jahren wiederholt­en US-Serien wie „Die Simpsons“oder „The Big Bang Theory“bestreitet. Zudem hat der Sender den Rückzug von Entertaine­r Stefan Raab Ende 2015 von der TV-Bühne nicht verkraftet. Zwischen 1999 und 2016 hatte man ihm die besten Sendeplätz­e freigeräum­t. Die Suche nach einem Nachfolger für das Sendergesi­cht verlief bislang ergebnislo­s. Weder Joko und Klaas noch Steffen Henssler („Schlag den Henssler“) können die Lücke füllen.

Die Programm-Krise spiegelt sich in Verlusten bei den Marktantei­len im Gesamtpubl­ikum wider. Besonders deutlich fiel der Verlust für ProSieben im August in der werberelev­anten Zuschauerg­ruppe der 14- bis 49-Jährigen aus: ProSieben musste sich von Schwesters­ender Sat.1 überholen lassen und kam mit einem Marktantei­l von 8,3 Prozent in dieser Zielgruppe auf den schlechtes­ten Wert seit mehr als 20 Jahren. Für Ebeling ein Desaster: Der Hannoveran­er war 2009 vom Pharma-Unternehme­n Novartis zu ProSiebenS­at.1 gewechselt mit dem Ziel, den Konzern zum „führenden Medien- und Unterhaltu­ngskonzern in Europa“zu machen.

Ebeling wird an Quoten und Marktantei­len sowie am Kurs der im Dax notierten ProSiebenS­at.1 Media SE-Aktie gemessen. Diese verlor im vergangene­n Jahr rund 22 Prozent ihres Wertes. Das nächste Desaster kam für ihn mit dem 9. November, als er seine Prognose für das Gesamtjahr 2017 abschwäche­n musste und damit Anleger enttäuscht­e: Der Vorjahresu­msatz von 3,8 Milliarden Euro dürfte um einen mittleren einstellig­en Prozentsat­z wachsen. Ebeling berichtete, dass das Geschäft mit TV-Werbung schwach laufe, USSerien wie „Empire“oder „This is us“gefloppt seien, ProSieben und Sat.1 Zuschauer an Konkurrenz­sender und Internetpo­rtale wie Netflix verloren hätten, sowie dass das Videoporta­l Maxdome weiterhin rote Zahlen schreibe.

Der Konzern steht vor schwierige­n Zeiten – ohne seinen einstigen Retter: Ebeling war es gelungen, anfangs mit strikten Sparmaßnah­men und Stellenabb­au, den angeschlag­enen Konzern binnen weniger Jahre zum „Liebling der Anleger“werden zu lassen, wie die Deutsche PresseAgen­tur einmal schrieb. Die aktuellen Probleme wollte er unter anderem mit einer Straffung der Unternehme­nsstruktur­en lösen. Am 6. Dezember sollen die Pläne vorgestell­t werden. Die Nachricht vom Sonntag, dass es nicht mehr Ebeling sein wird, der sie umsetzt, sorgte für einen Kurssprung der Aktie um zeitweise mehr als vier Prozent.

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? ProSiebenS­at.1 Chef Thomas Ebeling rettete einst den schwer angeschlag­enen Me dienkonzer­n. Der befindet sich seit Monaten im Abwärtstre­nd.
Foto: Sven Hoppe, dpa ProSiebenS­at.1 Chef Thomas Ebeling rettete einst den schwer angeschlag­enen Me dienkonzer­n. Der befindet sich seit Monaten im Abwärtstre­nd.

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