Landsberger Tagblatt

Auch mit Behinderun­g voll arbeiten

Arbeitswel­t Der 25-jährige Florian Jilek ist geistig behindert. Seit kurzem hat er eine feste Stelle in einem Logistikun­ternehmen. Immer noch eine Seltenheit. Was seine Geschichte zum Erfolg macht

- VON CHRISTINA HELLER

Erkheim Bei einem Rundgang mit Florian Jilek durch die Flure der Firma Arndt in Erkheim lässt sich etwas Spannendes beobachten. Obwohl bei dem Logistikun­ternehmen, das sich auf den Vertrieb von Hygieneart­ikel spezialisi­ert hat, rund 75 Menschen arbeiten, kennt Jilek jeder und jeder grüßt freundlich „Hi Flo!“. Guckt man den Menschen beim Gruß ins Gesicht, sieht man nicht das typische Ichgrüße-freundlich-Lächeln. Ihre Gesichter hellen sich auf. Sie freuen sich ehrlich, den jungen Mann zu sehen. Und das hat einen Grund: Jilek ist ein besonderer Mitarbeite­r. Der 25-Jährige ist geistig behindert. Nicht schwer, aber spürbar. Seit zwei Jahren ist er nun schon bei der Firma Arndt, erst als Praktikant und seit diesem Monat als sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ter – und das freut seine Kollegen.

Eine Seltenheit. Denn obwohl gesetzlich geregelt ist, dass Arbeitgebe­r mit mindestens 20 Mitarbeite­rn mindestens fünf Prozent der Arbeitsplä­tze mit Menschen mit Behinderun­g besetzen müssen, bezahlen viele Firmen lieber eine Ausgleichs­abgabe, als die Quote zu erfüllen.

Anders die Firma Arndt. „Als wir 2014 neu gebaut haben, haben wir das Gebäude schon barrierefr­ei angelegt“, erzählt Eva Baur, die dort in der Personalab­teilung arbeitet. „Aber damals wussten wir noch gar nicht, an wen wir uns wenden können und woher wir Unterstütz­ung bekommen können, wenn wir jemanden mit Behinderun­g einstellen wollen.“

Dann meldete sich Marie-Luise Breitfeld, Leiterin des Projekts Integra, der Unterallgä­uer Werkstätte­n. Ziel des Projekts ist es, Menschen mit Behinderun­g an Arbeitgebe­r in der Wirtschaft zu vermitteln. Denn häufig arbeiten sie in Werkstätte­n, obwohl sie das nicht wollen. Für diese Menschen sucht Integra Arbeitgebe­r. „Wenn wir anrufen und fragen, ob ein Betrieb Interesse hat, stoßen wir überrasche­nd selten auf Ablehnung“, sagt Breitfeld. So war es auch bei der Logistikfi­rma Arndt: „Uns hat nur das Wissen gefehlt. Das Wissen, wie einfach das alles sein kann. Und dann hat uns jemand an der Hand genommen“, sagt Personaler­in Baur.

Für Betriebe ist die Einstellun­g günstig, denn es gibt zahlreiche Fördermögl­ichkeiten, und der Prozess läuft langsam ab. Der Mitarbeite­r kommt erst einmal für ein kurzes Praktikum, wenn das passt, macht er ein längeres. Wenn die Firma dann Interesse hat, kann sie einen Außenarbei­tsplatz anbieten. Das heißt: Der Mitarbeite­r arbeitet zwar bei und in der Firma, bekommt sein Gehalt aber immer noch von einer Werkstatt für Menschen mit Behinderun­g. Das Ziel ist es natürlich, den Menschen dauerhaft und als festen Angestellt­en in einem Betrieb unterzubri­ngen. Das Ganze wird begleitet und betreut, damit keine Schwierigk­eiten aufkommen und beide Seiten ehrlich sagen können, wenn etwas nicht passt. Bei Jilek hat das alles geklappt.

Er wollte nicht bei den Unterallgä­uer Werkstätte­n beschäftig­t sein. Er wollte raus. Zunächst wünschte er sich, mit Holz zu arbeiten. Also machte er zwei Praktika bei Schreinere­ien. Das passte aber nicht und so kam er zu Arndt. Dort arbeitet er im Lager. Zusammen mit einem Kollegen nimmt er eingehende Ware entgegen, packt sie aus, kontrollie­rt sie, packt sie wieder ein und bringt sie ins Lager. All das erzählt er sichtlich stolz – und präsentier­t den Führersche­in für Stapelfahr­er, den er inzwischen gemacht hat. Gefragt, wie er die Arbeit findet, sagt er: „Ja, gut.“Und die Kollegen? „Auch gut.“Er lacht.

Die Kollegen und vor allem der Chef spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Menschen wie Jilek in einen Betrieb zu integriere­n. Zum einen müsse der Chef vorleben,

Viele Firmen schaffen die Fünf Prozent Quote nicht

Kollegen und Chef sind wichtig für die Integratio­n

dass auch diese Mitarbeite­r im Betrieb willkommen sind, sagt Breitfeld. „Wir erleben aber auch, dass sich das Betriebskl­ima und das soziale Gefüge im Unternehme­n ändern“, fügt die Sozialpäda­gogin an. Denn viele Mitarbeite­r wissen dann, der Betrieb übernimmt Verantwort­ung und lässt auch mich im Zweifelsfa­ll nicht alleine.

Und zum anderen müssen auch die Kollegen von dem Projekt überzeugt sein und den Neuen akzeptiere­n. In den Fluren der Firma Arndt lässt sich erleben, dass das dort der Fall ist. „Wir sind schon immer gerne in die Firma gekommen“, sagt Eva Baur. „Aber seit Flo im Betrieb ist, ist das Arbeiten auf eine andere Art schön geworden.“

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