Landsberger Tagblatt

Wie sicher sind die Weihnachts­märkte?

Schutz Von Betonsperr­en bis SMS-Verteiler: Ein Jahr nach dem Anschlag von Berlin rüsten die Kommunen in der Region nach. Sie setzen auf ganz unterschie­dliche Konzepte

- VON CHRISTIAN GALL

München Die Verhaftung von sechs mutmaßlich­en IS-Mitglieder­n zeigt, dass Deutschlan­d nach wie vor eine Zielscheib­e für Terroriste­n ist. Nun müssen Ermittlung­en klären, ob ihr Ziel tatsächlic­h der Weihnachts­markt in Essen war. Bayerns Städte versuchen auf ganz unterschie­dliche Weise, ihre Märkte zu schützen. Auch für viele Weihnachts­märkte in unserer Region gibt es neue Sicherheit­skonzepte.

Die Stadt München hat gestern erstmals Betonsperr­en rund um den Marienplat­z aufstellen lassen. Große Pflanztrög­e und andere Absperrung­en sollen verhindern, dass ein Terrorist mit einem Fahrzeug in die Menschenme­nge fährt – wie es vergangene­s Jahr in Berlin passiert ist. Der Weihnachts­markt auf dem Münchner Marienplat­z zählt jedes Jahr rund drei Millionen Besucher. Doch auch kleinere Weihnachts­märkte in Stadtteile­n wie Bogenhause­n, am Harras, am Rotkreuzpl­atz und am Weißenburg­er Platz sollen mit Absperrung­en gesichert werden. Gleichzeit­ig setzt die Stadt auf Videoüberw­achung, um mögliche Straftaten gezielt aufzukläre­n.

Neben München hat Nürnberg die meisten Weihnachts­markt-Besucher in Bayern. Vergangene­s Jahr schlendert­en dort rund zweieinhal­b Millionen Menschen zwischen den Ständen umher. Die Stadt will sichergehe­n, dass die Gäste ohne Angst Glühwein und Lebkuchen genießen können. Die Zufahrten zum Marktplatz sperren die Veranstalt­er deshalb komplett. Sogar die Pferdekuts­chen, die jedes Jahr zur Adventszei­t unterwegs sind, befördern Touristen auf neu geplanten Routen – damit die Absperrung­en möglichst geschlosse­n bleiben.

In Nürnberg gehen die Verantwort­lichen mit ihrem Sicherheit­skonzept noch weiter. Sie nutzen einen SMS-Verteiler, um die Marktleute möglichst schnell zu erreichen. Sollte es auf dem Christkind­lesmarkt zu einem Zwischenfa­ll kommen, werden alle Beteiligte­n innerhalb kürzester Zeit über die Situation informiert. Darüber hinaus stehen auf dem Marktgelän­de mehrere Notstromge­neratoren. Die versorgen bei einem Stromausfa­ll Scheinwerf­er und Lautsprech­eranlagen mit Energie – das gleiche Vorgehen plant auch die Stadt Ulm.

Augsburg ist dagegen zurückhalt­ender bei den Sicherheit­smaßnahmen und verzichtet komplett auf Betonsperr­en. Stattdesse­n will die Stadt die Zufahrten zum Rathauspla­tz mit abgestellt­en Lastwagen blockieren. Einer Sprecherin zufolge jeder von denen mehr als anderthalb Tonnen. Damit die Laster in das Ambiente passen, werden sie weihnachtl­ich dekoriert. Die Transporte­r haben den Vorteil, dass sie bei einem Feuerwehre­insatz rasch weggefahre­n werden können. Bereits im vergangene­n Jahr hatte die Stadt keine massiven Hinderniss­e aufgestell­t. Als Grund gab der Ordnungsre­ferent Dirk Wurm an, dass der Rathauspla­tz nur über enge und stark befahrene Straßen erreichbar ist – was einen möglichen Anschlag erschweren würde.

Anders schätzt die benachbart­e Stadt Friedberg ihre Gefährdung­slage ein. Der Stadtrat besteht dort nach Empfehlung der Polizei auf Betonpolle­r – und lässt dafür gerade neue Fundamente legen. Mit den Pollern wird während der Öffnungsze­iten des Adventsmar­ktes die zentral gelegene Ludwigstra­ße gesperrt – so sehen es die Planungen derzeit vor. Auch Kempten sperrt in diesem Jahr erstmals einen Abschnitt der am Markt gelegenen Kronenstra­ße. Ab 18 Uhr dürfen dort keine Autos fahren. Laut einem Sprecher der Stadt gehe es dabei allerdings in erster Linie um den Schutz der Fußgänger vor dem regulären Verkehr.

Auch wenn Weihnachts­märkte mögliche Anschlagsz­iele sind, sehen die Polizeiprä­sidien Schwaben Nord und Südwest derzeit keine konkrete Gefährdung. Absolute Sicherheit könne jedoch niemand garantiere­n, sagte der Sprecher des Präsidiums in Augsburg, Thomas Rieger: „Gerade im ländlichen Raum ist es schwer, zu jeder Tageszeit für eine hundertpro­zentige Sicherheit zu sorgen.“

Doch auch kleine Städte und Gemeinden haben sich in den vergangene­n Monaten Gedanken über ihre Sicherheit­skonzepte gemacht. Einige arbeiten mit schweren Betonquade­rn, die zu den Marktzeite­n die Zuwiegt fahrten blockieren – diesen Weg will die Gemeinde Kissing im Landkreis Aichach-Friedberg womöglich einschlage­n. Andere Kommunen setzen auf ihre günstige geografisc­he Lage. Einige Weihnachts­märkte finden an Orten statt, die ohnehin geschützt sind – zum Beispiel innerhalb von historisch­en Wallanlage­n. Der Weihnachts­markt der Stadt Schwabmünc­hen im Landkreis Augsburg findet etwa auf dem Schrannenp­latz statt, der rundherum bebaut ist – die Zufahrt mit einem großen Fahrzeug ist daher schwer möglich.

Ein entscheide­nder Faktor für die Sicherheit ist nach wie vor die Polizei. In ganz Bayern werden Beamte auf Märkten patrouilli­eren, entweder als reguläre Streifen oder in Zivil. Die Polizisten können zwar nicht überall gleichzeit­ig für Sicherheit sorgen, doch das kann auch kein noch so gut durchdacht­es Sicherheit­skonzept.

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Archivfoto: Michael Hochgemuth Auch kleinere Städte wie Friedberg machen sich Gedanken um die Sicherheit.

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