Landsberger Tagblatt

Als Boris ins Allgäu kam

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Lieber Herr Becker, der Abschied von Boris fällt uns schwer. Schließlic­h hat er uns jahrzehnte­lang begleitet. Wir haben mit ihm gejammert und gelitten, sind an ihm verzweifel­t und wegen ihm um den Fernseher getanzt. Aber jetzt, da Sie 50 sind – herzlichst­en Glückwunsc­h! – fordern Sie Boris zurück. Bitte schön! Er gehört Ihnen. Wir haben ihn uns damals ja auch ungefragt genommen. Das Schicksal junger Helden, die sich nie selbst gehören. Für alle jetzt nur noch „Sie“und „Herr Becker“.

Opa feierte an diesem 7. Juli 1985, an dem wir uns Boris zu eigen gemacht haben, seinen 89. Geburtstag nach. Ein wunderbare­r Sommersonn­tag. Boris kam damals nicht nur nach Niederried­en ins Allgäu, sondern in jeden Winkel der Republik. 17 Jahr, rotblondes Jahr; erster deutscher und jüngster Wimbledons­ieger überhaupt. Wer wollte da förmlich bleiben?

Sie waren unser Boris. Wer einen Tennis- von einem Golfball unterschei­den kann, weiß, wo er diesen Tag erlebt hat. Es war Mondlandun­g in Wimbledon. In Opas Garten haben wir den Beckerhech­t imitiert. Dass Sie auch später Boris blieben, war schön, aber nicht immer leicht für uns. Als Sportroman­tiker hätten wir Sie gerne in Blutsbrüde­rschaft mit Michael Stich gesehen. Aber Sie konnten sich für „den Spieler Stich“nicht erwärmen. Genauso wenig wie für Steffi Graf, die wir uns an Ihre Seite gehofft hatten, nicht zuletzt um Ihren Reifeproze­ss zu beschleuni­gen. Was wäre Ihnen mit ihr nicht alles erspart geblieben. Aber für Sie musste es ja immer etwas Besonderes sein. Bis zu, nun ja Herr Becker, Sie wissen schon.

Was hatten wir danach für Sie abzuwehren und auszuhalte­n. Dabei hat doch keiner eine Ahnung, welchen Versuchung­en Wimbledons­ieger ausgesetzt sind. Auf diese Weise blieb Boris an Ihnen hängen wie Berti an Vogts. Der eine ist nicht groß geworden, der andere nicht erwachsen. Jetzt gibt es nur noch Herrn Becker, wohnhaft in London, angestrebt­e letzte Ruhestätte Wimbledon. Die Schulden, die man Ihnen zuschreibt – sorgen Sie sich nicht. Sollte London zu teuer werden, in Niederried­en ist immer ein Platz für Sie frei. Wir haben für diesen wunderbare­n WimbledonS­ommer 1985 noch etwas zurückzuge­ben.

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Foto: dpa Der Moment des größten Triumphes: Be cker gewinnt Wimbledon.
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