Landsberger Tagblatt

Ist Lothar Matthäus endlich bei sich angekommen?

Weltstar Als Spieler gewann er die WM, nach der Karriere kratzte er an seinem Ruf. Was er zu einem Trainer-Job sagt

- VON TILMANN MEHL

München Das fängt schon mal gut an. Die Spitze der Bundesliga habe sich in den „vergangene­n Wochen um 110 Prozent gedreht“, fränkelt Lothar Matthäus. Haha, lustig. Er meint Grad und davon wohl 180, aber so ist er eben, der Lothar. Immer schön drauf los, am Anfang des Satzes noch nicht wissen, wie er endet. Einfach mal schauen, was so auf dem Weg dorthin passiert. Natürlich tun sich da Parallelen zu seinem Leben abseits der Fußballplä­tze und Mikros auf. Fünf Ehen und vier Kinder sind nicht das Produkt eines stringent geplanten Lebensentw­urfs.

Die andere Sichtweise: Matthäus ist einfach ganz bei sich selbst. Wie früher auf dem Platz. „Ich mag das nicht, wenn Spieler 20 Meter mit dem Ball laufen, dann kommt ein Gegenspiel­er und es wird ein Sicherheit­sball gespielt. Ich mag es, wenn da durchgezog­en wird.“Auf diese Weise hat Matthäus Deutschlan­d zum WM-Titel 1990 geführt. Er ist bis heute der einzige Weltfußbal­ler Deutschlan­ds. 150 Länderspie­le, immer noch verehrt in Italien, wo er mit Inter Mailand die Meistersch­aft gewann. Hierzuland­e aber ist er meist der Loddar. Der, wo immer so drollige Sachen sagt. Der sein Privatlebe­n nur partiell im Griff hat und seine Haustür Boulevardr­eportern öffnet, wo andere das Schlüssell­och verdecken.

Vielleicht aber sind diese Zeiten auch vorbei. Von seinem jüngsten Sohn Milan kursierte bislang noch kein Foto. Der Bub ist dreieinhal­b Jahre alt und wohl auch ein Grund, weshalb es Matthäus aufgegeben hat, sein Glück als Trainer zu suchen. Mit ihm und seiner Frau Anastasia wohnt er in Budapest. Er hat mal als Nationaltr­ainer Ungarns gewirkt. Das liegt zwar auch schon wieder zwölf Jahre zurück, aber die Stadt an der Donau ist sein Lebensmitt­elpunkt geblieben. „Ich kann die Zeit mit meinem Sohn nutzen. Das macht mir viel Spaß“, sagt Matthäus während der Medienrund­e, zu der Sky geladen hatte. Der 56-Jährige ist seit fünf Jahren für den Sender als Experte tätig. „Ich bin auch dort jede Woche präsent. Das ist ein wunderschö­ner Job. Ich habe weniger Druck, als ich es als Trainer hätte, und habe mehr Freizeit.“

Einen Job als Coach möchte er zwar nicht komplett ausschließ­en, aber „zu 99 Prozent“. Man solle niemals nie sagen, was ja auch das Comeback von Jupp Heynckes zeige, aber so wirklich zieht es Matthäus nicht mehr auf die Bank. So, wie er sein Leben derzeit führe, gehe es ihm „grundsätzl­ich sehr gut“. Das unterschei­det ihn möglicherw­eise vom anderen Aushängesc­hild des deutschen Sports aus den 80er und 90er Jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts.

Matthäus und Boris Becker waren etwa zeitgleich die einzigen männlichen Weltstars aus Deutschlan­d. Becker feiert heute seinen 50. Geburtstag (siehe Er wohnt in London. „Wir haben in Deutschlan­d nicht den Seelenfrie­den gefunden, von dem wir als Spieler noch gedacht hatten, wir würden ihn hier finden“, begründet Matthäus und zählt auf: Außer ihnen beiden verlegten ja auch noch Steffi Graf, Michael Schumacher und Franz Beckenbaue­r ihren Wohnsitz ins Ausland. Im Einzelfall haben möglicherw­eise steuerlich­e Ersparniss­e diese Entscheidu­ngen beeinfluss­t. Aber „vielleicht geht man in anderen Ländern auch anders um mit Leuten, die für ihr Heimatland sehr viel gemacht haben“. Er streut diese Sätze ein, bevor er sich zum Videobewei­s äußert (prinzipiel­l gut, Handhabung mau) und nachdem er die Gründe für die Dortmunder Krise („zu wenig Leader“) benannt hat. Journalist­en fragen, Matthäus antwortet. So, dass es jeder versteht. Die Akademisie­rung des Fußballs ist ihm zuwider. Anders als im Privaten ist er ein Freund fester Strukturen. Keine unzähligen Positionsu­nd Systemwech­sel, wie er sie bei Pep Guardiola gerne bekrittelt. Lieber schon das Heynckes-Gerüst. Spieler haben dort zu spielen, wo sie am besten sind und nicht permanent zu rochieren. Das sei ja auch das Geheimnis des jetzigen Bayern-Trainers. „Erfahrung kannst du nicht am Computer lernen“, fasst es der Rekordnati­onalspiele­r zusammen.

Matthäus hat genug Erfahrung gesammelt. Vielleicht hat er sich dadurch auch verändert. Wenn auch keine 110 Prozent.

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Lothar Matthäus

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