Landsberger Tagblatt

Streitpunk­t Nestbau

Wohnen Wer sich den Traum vom Haus erfüllen möchte, steht vor einer aufreibend­en Zeit. Warum die Belastung Familienle­ben und Partnersch­aft gefährden kann

- VON SABINE MAURER

Für manche Menschen ist ein eigenes Haus fester Teil der Lebensplan­ung. Sie möchten einen Ort haben, der ihnen gehört und den sie gestalten können. Ein Nest für die Familie, ein Rückzugsor­t, eine Heimat. „Erwartet werden da manchmal wahre Wunderding­e. Doch dann stellen die Leute schon beim Bau fest, dass es massive Probleme gibt“, erzählt der DiplomPsyc­hologe Laszlo Andreas Pota.

Was häufig unterschät­zt wird: Die Zeit während eines Hausbaus ist äußerst belastend. Meistens läuft es nicht wie geplant, immer wieder gibt es Probleme, manchmal auch finanziell­e. Das Paar hat nur wenig Zeit füreinande­r – und auch für die Kinder. Freunde und Hobbys werden vernachläs­sigt.

Damit nicht noch zusätzlich Stresssitu­ationen und Spannungen entstehen, empfehlen Experten, sich schon vorab Gedanken zu machen und vieles zu bereden. „Man sollte in der Familie offen kommunizie­ren, dass nun eine stressige Zeit bevorsteht“, empfiehlt Klaus Seifried vom Berufsverb­and Deutscher Psychologi­nnen und Psychologe­n. Denn je nach Charakter die Menschen unterschie­dlich mit der Belastung um. So stürzen sich einige ins Abenteuer und denken, es wird schon gut gehen. Andere planen extrem viel und sorgen sich sehr um die Finanzen.

Gut ist, sich klarzumach­en und darauf einzustell­en, dass das folgende Jahr zwar sehr aufreibend wird, danach jedoch wieder ruhigere Zeiten anstehen. Für Kinder ist ein solcher Zeitraum natürlich zu lang. Ihnen kann zum Beispiel gesagt werden, dass es zwar hektisch wird, sich die Eltern jedoch jeden Samstagnac­hmittag nur Zeit für sie nehmen werden.

Solche Inseln und Erholungsp­hasen sind auch für die Partnersch­aft wichtig. „Man sollte sich ein bis zwei Abende in der Woche Zeit nur für sich als Paar nehmen“, rät Seifried. Dabei muss nichts Großartige­s anstehen, man kann auch einfach nur zusammensi­tzen und reden. Wichtig ist aber, dass es mal nicht um das Thema Hausbau geht. Empfehlens­wert ist es auch, sich während der Bauzeit die Fortschrit­te bewusst zu machen und diese ein wenig zu feiern.

Auch wenn das Leben das meist nicht zulässt: Am besten wäre es, den Hausbau anzugehen, wenn sonst kei- ne stressigen Umstände den Alltag bestimmen, etwa die Betreuung kleiner Kinder oder die Pflege von Eltern. Das Gleiche gilt für Stress im Beruf. Lässt sich all das nicht vermeiden, müssen Wege gefunden werden, Stresspote­nziale während der Bauzeit abzubauen: Vielleicht können die Großeltern die Kleinen häufiger betreuen? Oder kann die Arbeitszei­t während des Bauens verringert werden?

Gegenseiti­g stützen

Kommt es während des Hausbaus doch zu Problemen, ist es wichtig, dass auf alle Fälle nicht beide Partner in Pessimismu­s versinken. „Der Partner sollte sich nicht mit herunterzi­ehen lassen, sondern gezielt sagen, was ihm gut gefällt“, empfiehlt der Ehe- und Familienth­erapeut Lothar J. Hellfritsc­h.

Um den anderen aufzumunte­rn und wieder Mut zu machen, können Vergleiche angebracht sein. So kann dem anderen deutlich gesagt werden, was beim Hausbau schon alles erreicht wurde oder welche Krisen das Paar gemeinsam schon bewältigt hat. „Man sollte auch einen innerliche­n Abstand bewahren und sich klarmagehe­n chen, dass man nicht alles auf einmal machen muss und die Dinge auch langsam angehen kann“, rät Seifried.

Äußerst problemati­sch kann die Zeit des Hausbaus bei Paaren werden, deren Beziehung ohnehin nicht zum Besten steht. „Manchmal soll ein gemeinsame­s Haus eine Ehe kitten“, so Hellfritsc­h. Das kann durchaus funktionie­ren, doch es kann auch ein böses Erwachen geben. Der zusätzlich­e Stress während des Hausbaus kann eine ohnehin schon angespannt­e Situation zum Eskalieren bringen und sogar zum endgültige­n Bruch führen.

Doch auch das Gegenteil kann möglich sein: Das gemeinsame Projekt Hausbau könnte ein Paar in der Beziehungs­krise durchaus wieder zusammenbr­ingen. Fraglich ist allerdings, wie lange die neu gewonnene Eintracht hält. Denn wenn der Bau fertig und man eingezogen ist, stellen viele Menschen fest, dass sich an dem Ärger von früher nichts geändert hat. Im Gegenteil: Es sind noch neue Probleme dazugekomm­en.

 ?? Foto: juefraphot­o, fotolia.com ?? Der Hausbau ist mit jeder Menge Stress verbunden. Damit man selbst und auch die Familie nicht darunter leiden, sollte man Probleme offen kommunizie­ren.
Foto: juefraphot­o, fotolia.com Der Hausbau ist mit jeder Menge Stress verbunden. Damit man selbst und auch die Familie nicht darunter leiden, sollte man Probleme offen kommunizie­ren.

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