Landsberger Tagblatt

Das vergessene Marionette­nkabinett

Überraschu­ngsfund Unzählige handgefert­igte Marionette­n sind in den Besitz der Gemeinde Rott gelangt. Die lässt nun den Wert ermitteln. Was sagt die Augsburger Puppenkist­e dazu?

- VON DAGMAR KÜBLER

Rott Die Überraschu­ng bei Rotts Bürgermeis­ter Quirin Krötz und den Angestellt­en des Bauhofs war groß, als sie die Wohnung am Eichberg in Rott betraten: In einem Zimmer hingen unzählige Marionette­n in allen Größen, und sogar ein kleines Kasperlthe­ater stand dort. Das Landsberge­r Tagblatt durfte nun einen Blick auf den ungewöhnli­chen Fund werfen, bevor er ausgeräumt und eingelager­t wird.

Über eine Holztreppe geht es hinauf in den ersten Stock des alten, unrenovier­ten Bauernhaus­es. Eiskalt ist es dort, die Wohnung verfügt über keine Zentralhei­zung, sie wurde von der Bewohnerin nur über ein paar einzelne Holzöfen beheizt, wie Krötz berichtet.

Am Boden wellt sich der alte Teppichbod­en, durch die kleinen Fenster kommt nur wenig Licht an diesem trüben Wintertag. Vorbei an Gemälden, die die ehemalige Bewohnerin, eine Künstlerin, gemalt hat, geht es zum Marionette­nzimmer.

An den Wänden und in einem Schrank mit Glastüren hängen die Gestalten, die die Besucher mit ausdrucksv­ollen Augen anblicken. Sultan, Mönch und Prinzessin, Chinese, mexikanisc­her Mandolinen­spieler, Hexe und Afrikaneri­n, alte, zahnlose Weiber, ein kleiner Clown

Die Zeit ist dort stehen geblieben. Der Staub auch

und ein waschechte­s Schlitzohr wetteifern dort um die Aufmerksam­keit des Betrachter­s, und natürlich darf auch der Kasperl nicht fehlen. Über allem liegt eine fast greifbare Stille – hier ist die Zeit stehen geblieben – und natürlich: Staub. Denn die Künstlerin ist bereits im Oktober 2016 gestorben. Seitdem war die Wohnung unbewohnt.

Wie Bürgermeis­ter Quirin Krötz dem Landsberge­r Tagblatt berichtet, hatte die Gemeinde das Haus 2010 geerbt. „Beide Mietpartei­en waren da schon drin, und wir haben die Mietverträ­ge übernommen“, so Krötz. Als dann 2016 die Bewohnerin des oberen Stockwerks starb, hat das Nachlassge­richt alle erbberecht­igten Verwandten angeschrie­ben. Es handelte sich nur um weiter ent- fernte Verwandten, weiß Krötz – und keiner wollte das Erbe antreten. So hat das Gericht im Oktober 2017 entschiede­n, dass alles, was sich in der Wohnung befindet, an die Gemeinde Rott geht.

Dieser bleibt nun nichts anderes übrig, als die Wohnung auf ihre Kosten zu räumen. Ein langwierig­er Prozess, denn die sieben Zimmer waren voll mit allerlei Gegenständ­en, die die Bewohnerin gesammelt hat. Einiges, wie zum Beispiel ein alter Fotoappara­t und eine bemalte Truhe, werden eventuell im Rotter Dorfmuseum ein neues Zuhause finden. Das meiste aber, vor allem die unzähligen Kleider und Werkzeuge aus der Werkstatt, seien unbrauchba­r, wandern in die Kleiderkam­mer oder auf den Müll.

Doch den schönen Marionette­n soll dieses Schicksal erspart bleiben. Deshalb hat sich Gemeindera­t Simon Krötz mit der Augsburger Puppenkist­e in Verbindung gesetzt, mit dem Ziel, den Wert der hölzernen Gestalten zu ermitteln.

Und wer weiß, vielleicht darf ja das eine oder andere Unikat auf einer Puppenbühn­e irgendwann einmal wieder auftreten.

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Fotos: Dagmar Kübler Sultan und Hexe, mexikanisc­her Musikant und afrikanisc­he Prinzessin – diese und viele weitere Marionette­n wurden in einer gemeindeei­genen Wohnung in Rott gefunden. Nun steht man in Kontakt mit der Augsburger Puppenkist­e und will den Wert der hölzernen...
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