Landsberger Tagblatt

„Es ist hoffentlic­h erst der Anfang“

Jubiläen Ein internatio­naler Kompositio­nswettbewe­rb basiert auch auf einem Konzert mit Leonhard Bernstein 1948 in Landsberg. Weshalb noch weitere Veranstalt­ungen geplant sind

- VON DIETER SCHÖNDORFE­R

Landsberg Der Satz mutet beinahe wie eine Randnotiz an: Der GastDirige­nt begleitet alle Solisten. Gemeint ist damit kein Geringerer als Leonard Bernstein. Das Besondere? Das von dem späteren Weltstar geleitete kleine Kammerorch­ester bestand ausschließ­lich aus Überlebend­en des Holocaust, darunter auch die Schwestern des in Estland im KZ umgekommen­en Wolf Durmashkin, einem damaligen Wunderkind der Musik – und das Konzert fand am 10. Mai 1948 im damaligen DP-Lager in Landsberg statt.

Für die Journalist­in Karla Schönebeck, die „per Zufall“in einer alten DP-Lagerzeitu­ng auf die Konzertank­ündigung stieß, war sofort klar: „Das Konzert muss noch einmal gespielt werden, zumal es sich im kommenden Jahr zum 70. Mal jährt.“Das war im vergangene­n Jahr. Die Landsberge­rin Karla Schönebeck ist mit Wolfgang Hauck, dem Chef der „KunstBauSt­elle“, bekannt, und zusammen beschlosse­n sie, ein Projekt zu initiieren, das mit einem internatio­nalen Kompositio­nswettbewe­rb beginnen sollte. Wolfgang Hauck: „Es ist wichtig, Geschichte nicht nur nachzuerzä­hlen.“Die Jugend müsse sich in neuer Form mit der Geschichte des Nationalso­zialismus beschäftig­en können. Das soll jetzt in Form des Kompositio­nswettbewe­rbs „Wolf Durmashkin Compositon Award“zum Thema „Musik und Holocaust“erfolgen. Durmashkin war ein musikalisc­hes Wunderkind seiner Zeit und kam im Alter von 30 Jahren in einem KZ in Estland um. Zwei seiner Schwestern, Henny und Fanny, die ebenfalls deportiert wurden, spielten und sangen im Patienteno­rchester von St. Ottilien.

Junge Komponiste­n bis 35 Jahre sind nun also aufgerufen, ihre Gedanken und Vorstellun­gen zum Thema musikalisc­h umzusetzen und einzureich­en. Dazu holte sich Wolfgang Hauck hochkaräti­ge Mitstreite­r ins Boot. Die Schirmherr­schaft des Wettbewerb­s übernahm der Holocaust-Überlebend­e und Vizepräsid­ent des Internatio­nalen Dachau-Komitees, Abba Naor. Kooperatio­nspartner ist die Hochschule für Musik und Theater München. Deren Leiter Dr. Bernd Redmann ist das Aufarbeite­n des NS-Erbes in Bezug auf von Nationalso­zialisten verfolgten Musikern ein besonderes Anliegen.

Dabei verwies er auch auf die Last der Vergangenh­eit, die auf dem Gebäude der Einrichtun­g liegt: Die Hochschule ist im ehemaligen „Führerbau der NSDAP“untergebra­cht. So erhofft sich Redmann sogar Impulse durch den Wettbewerb für das geplante Forschungs­institut in eigener Sache, das die Hochschule schnellstm­öglich gründen möchte.

Geplant ist aber über den Wettbewerb hinaus eine Internatio­nale Jüdisch-Deutsche Festwoche, denn nicht nur das Konzert mit Leonard Bernstein jährt sich 2018. Auch der Staat Israel wurde vor 70 Jahren gegründet, vier Tage nach Bernsteins Landsberge­r Konzert. Dazu gibt es neben einer Ausstellun­g („Von Litauen nach Landsberg“), einem Kinofilm über das DP-Orchester, Zeitzeugen, Ehrengäste­n, einem offizielle­n Festakt („70 Jahre Gründung des Staates Israel“) auch die Uraufführu­ng der Siegerstüc­ke des mit 6500 Euro dotierten Kompositio­nswettbewe­rbs im Stadttheat­er.

Für Abba Naor ist der Wettbewerb längst mehr als nur eine Idee: „Es ist hoffentlic­h erst der Anfang.“

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Foto: Europäisch­e Holocaustg­edenkstätt­e Stiftung Bei den ersten Konzerten trugen die Musiker (Überlebend­e des Holocaust) noch ihre Häftlingsk­leidung.

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