Landsberger Tagblatt

Kann ein Gutachten den Keller retten?

Lidl Keller Die Ammersee-Heimatfors­cher kämpfen weiter dafür, dass die Erinnerung an die lange Brautradit­ion in Dießen bestehen bleibt. Der Eigentümer will dort eine Tiefgarage errichten

- VON URSULA NAGL

Dießen Die Heimatfors­cher am Ammersee sind in Sorge um den sogenannte­n Lidl-Keller. Der geplante Bau einer privaten Tiefgarage würde das Aus für den historisch­en Dießener Bierkeller bedeuten, dessen Zugang sich derzeit unter einem landwirtsc­haftlichen Gebäude zwischen Herren- und Schützenst­raße verbirgt. Der Eigentümer will dort vier Wohnungen bauen. Die Fahrzeuge sollen in einer Tiefgarage untergebra­cht werden.

Nachdem mehrere Anläufe von ehrenamtli­chen Heimatfors­chern, das Landesamt für Denkmalsch­utz dazu zu bewegen, den Keller auf die Denkmallis­te zu setzen, vergeblich blieben, macht der Verein Kulturland­schaften Ammersee-Lech nun auf seiner Homepage (www.kulturland­schaften.eu) in einem reich bebilderte­n Bericht auf das bedrohte Kulturerbe aufmerksam. Ein Bericht, so Zweiter Vorsitzend­er Herwig Stuckenber­ger, der sehr häufig angeklickt werde. Der Lidl-Keller mit einer Grundfläch­e von zirka 240 Quadratmet­ern liegt im Zentrum der Marktgemei­nde, nur 60 Meter vom Marktplatz entfernt, in der Herrenstra­ße 4b, unter einer Scheune. In Dießen waren, so die Recherchen des Vereins, über mehrere Jahrhunder­te hinweg zwölf Brauereien tätig.

Der Lidl-Keller gehörte zum heute Spitzenber­ger-Haus genannten Gebäude an der Herrenstra­ße. Bier gebraut wurde nach den Aufzeichnu­ngen im Häuserbuch von Juliane Wörlein dort seit 1580. Der Bierkeller wurde laut Stuckenber­ger bereits 1594 erstmals erwähnt. Zum „Lidlbräu“wurde das Haus 1719, als der Brauer Melchior Lidl das Anwesen kaufte. Der letzte Brauer im Spitzenber­ger-Haus war Johann Nepomuk Pullinger, der das Haus 1823 an den Lebzelter Michael Hangl verkaufte. Auf die Familie Spitzenber­ger ging das Grundstück 1871 über.

Nach Ansicht der Sachverstä­ndigen im Bayerische­n Landesamt für Denkmalpfl­ege liegt der Erhalt des Kellers allerdings nicht im Interesse der Allgemeinh­eit: Bei den beiden mittelgroß­en gewölbten Kellerräum­en handle es sich um Fragmente eines Kellerhaus­es, das die Verbindung zum obertägige­n Fassstadel ebenso verloren habe wie die Verbindung zum zugehörige­n Brauhaus, erklärt die Behörde auf Anfrage. „Der Baubestand ist nach unserer Erfahrung in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunder­ts zu datieren“, betont Pressespre­cherin Dagmar Ott. Aufgrund des fragmentha­ften Charakters, des Baualters und des verlorenen Brauhauses sei ein Nachtrag in die Denkmallis­te nicht ausreichen­d begründbar.

Dr. Thomas Raff, Kunsthisto­riker und Vorsitzend­er des Dießener Heimatvere­ins, geht davon aus, dass hier „ein gravierend­er Irrtum vorliegt“. Die Hauptbegrü­ndung für die späte Datierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts, so Raff, sei der Tatsache geschuldet, dass der Keller nicht im Urkataster von 1846 eingetrage­n sei. Fraglich sei aus seiner Sicht allerdings, ob nicht überbaute Bierkeller damals überhaupt verzeichne­t wurden. Außerdem sei das Spitzenber­ger-Haus seit 1823 von Lebzeltern und später von Konditoren genutzt worden, die wohl kaum ein Interesse daran gehabt hätten, derart große Kelleranla­gen zu errichten. Im Zentrum von Dießen, so Raff, habe es früher ein ganzes Labyrinth von Bierkeller­n gegeben, die miteinande­r verbunden gewesen seien. Im Lidl-Keller seien noch die zugemauert­en Zugänge zu bereits zerstörten Kellern sichtbar, was ebenfalls dafür spreche, dass der Lidl-Keller einer der letzten älteren, noch erhaltenen Keller sei.

Wie Karl Heinz Springer, Verwaltung­schef der Gemeinde Dießen, bestätigt, sei man im Rathaus bereit, nach Rücksprach­e mit den Heimatfors­chern ein unabhängig­es Bauforschu­ngsgutacht­en zu beauftrage­n. Allerdings mache dies nur Sinn, so Springer, wenn es in Kooperatio­n mit dem Eigentümer geschehe.

Auch Heide Weißhaar-Kiem sieht in einem unabhängig­en Gutachten den einzig gangbaren Weg. Sie selbst, so die Kreisheima­tpflegerin, sei beim ersten Rundgang vor sechs Jahren dabei gewesen. Damals hätten ihr allerdings noch Hintergrun­dinformati­onen gefehlt, um sich ein präzises Urteil über das Alter des Kellers zu bilden.

Ein Keller wurde bereits 1594 erwähnt

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Fotos: Herwig Stuckenber­ger Unter diesem landwirtsc­haftlichen Gebäude befindet sich ein alter Bierkeller, der nach einem der historisch­en Brauer, Lidl Keller genannt wird. Die Ammersee Heimatfors­cher kämpfen für seinen Erhalt.

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