Landsberger Tagblatt

Wenn etwas in Schieflage gerät…

-

Die Video-Kunst ist nicht gerade eine Domäne der Großen Schwäbisch­en. Und bildhafte Überhöhung ist anderersei­ts auch nicht unbedingt die Regel bei Videos. Umso erfreulich­er, dass nun „Canna“von Monika M. Schultes (*1955) in die Schau kam, ein überrasche­nder, surrealer Film nicht ohne Komik: Die Künstlerin liegt, die Kanne steht auf einem Tisch, und wenn sich die Künstlerin erhebt, kommt der Tisch in Schräglage und die Kanne fällt hinunter. Der Zufall aber wollte es, dass die stürzende Kanne nicht zersprang. Und dann kehrt sich das Video, die Zeit um – und die Kanne fliegt wieder auf Tisch.

Wenn an diesem Samstag im Augsburger Schaezlerp­alais und im H2-Zentrum für Gegenwarts­kunst die 69. Große Schwäbisch­e Kunstausst­ellung eröffnet wird, dann ist zweierlei kaum übersehbar: der hohe Anteil figurative­r und gegenständ­licher Arbeiten zum Einen; zum Anderen die zunächst einmal rein quantitati­v starke Beteiligun­g von Künstlerin­nen. In Zahlen: Unter den 149 Bewerbern waren 88 Frauen, von denen nach der Jurierung noch 37 verblieben – gegenüber 31 Männern.

Damit wächst natürlich die Chance der Frauen auf den ausgelobte­n Preis dieser großen schwäbisch­en Kunstprüfu­ng des Berufsverb­andes Bildender Künstler. Und in der Tat erhält ihn 2017 eine Frau: die Augsburger­in Claudia Geßner (*1958) für ihr Großformat „aus Idyll: du siehst mich nicht“(Bild links oben). Auch wenn die Kunst von Frauen bis heute nicht solche Preise erzielt wie die von Männern: Es ist etwas geschehen seit Anfang des letzten Jahrhunder­ts, als Frauen noch nicht Kunst studieren durften.

Ein Drittes sticht ins Auge: Dass sich die vielen figurative­n und gegenständ­lichen Arbeiten nur ausnahmswe­ise dem Repräsenta­tiven widmen. Dass sie fast durchweg – mit oder ohne Verfremdun­gseffekt – das Alltäglich­e, Private, Intime, Leise, auch das trist Funktional­e und das Banale studierend ins Auge nehmen. Bildwürdig heute scheint vor allem das Beiläufige und die eigene Welt. Als beachtensw­erte Kristallis­ationspunk­te solcher Sicht können unter 83 gezeigten Arbeiten gelten: Christian Odatos schönes graues Aquarell „nicht-ort“, dazu ein diesmal klar erkennbar ausgebreit­eter „Elektrosch­rott“von Georg Kleber (Kohle auf Vlies) sowie die farbstark-ungestüme Porträtund Seelen-Serie von Daniela Kammerer. Unter den Fotoarbeit­en fällt die Beschäftig­ung mit urbanen Strukturen und Räumen auf – wie etwa die aparten Draufsicht­en auf Augsburger Straßenkre­uzungen von Gerald Bauer.

Das Gesamtbild der ohne Themenvorg­abe ausgeschri­ebenen Ausstellun­g hat „nichts von flippiger Fabriketag­e“, sondern ist „eher gesetzt“, wie BBK-Vorsitzend­er Norbert Kiening einräumt. Ob das nur am eher gesetzten Alter der Teilnehmer liegt, von denen nicht wenige das 60. Lebensjahr überschrit­ten haben? Anstößiges, Widerspens­tiges findet sich kaum in dieser Großen Schwäbisch­en. Das solide Wohnzimmer­werk dominiert. Wie schon in den vergangene­n Jahren fallen einem beim Rundgang auch künstleris­che Handschrif­ten ein, die wieder nicht dabei sind – jene etwa von Günther Baumann, Karen Irmer oder Christofer Kochs.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany