Landsberger Tagblatt

Wer bleibt? Wer kommt? Wer muss gehen?

Hintergrun­d Quer durch Bayern wird schon jetzt spekuliert, wie das erste Kabinett Söder aussehen könnte. Dabei wird oft übersehen, was die neue Regierung für die CSU sein muss: vor allem ein Wahlkampft­eam

- VON ULI BACHMEIER

München Kaum etwas ist so amüsant für politische Beobachter und gleichzeit­ig so bierernst für die betroffene­n Politikeri­nnen und Politiker wie die öffentlich­e Erörterung der Frage: Wer wird was im nächsten Kabinett? In den kommenden Tagen werden quer durch Bayern viele solcher Erörterung­en geschriebe­n oder vorgetrage­n werden – mehr oder minder sachlich, mehr oder minder gut informiert. Da ist es auch egal, dass Markus Söder wohl erst in zwei oder drei Monaten zum bayerische­n Ministerpr­äsidenten gewählt und erst danach seine Minister und Staatssekr­etäre berufen werden. Das Publikum liebt die Spekulatio­n, also wird spekuliert, was das Zeug hält.

Die Fragen lauten, um ein prominente­s Beispiel zu nennen, ungefähr so: Bleibt Joachim Herrmann bayerische­r Innenminis­ter, weil er sich Söder nicht in den Weg gestellt hat? Oder weil er, wie CSU-Fraktionsc­hef

In der CSU Fraktion gibt es zu wenig Frauen

Thomas Kreuzer sagt, „der beste Innenminis­ter Deutschlan­ds“ist? Oder gar, weil er im CSUMachtka­mpf besonders geschickt taktiert hat nach dem Motto: Ich gehe nach Berlin, ich gehe nicht, ich kandidiere in München, ich kandidiere nicht, und zweimal „nicht“nur dann, wenn ich mir in München ein Ministeriu­m aussuchen kann? Nach zehn Jahren noch einmal das Innen- oder vielleicht doch lieber das Finanzress­ort? Die Möglichkei­t, dass Herrmann aus politische­m Verantwort­ungsbewuss­tsein so gehandelt hat, wie er gehandelt hat, wird bei Wer-wird-was-Spekulatio­nen meist schon von vorneherei­n ausgeklamm­ert. Ist ja langweilig.

So geht das. Die Spekuliere­r kennen vielfältig­e politische Mechanis- Winkelzüge und Zwänge. Sie wissen oft ziemlich genau, wie es in der Vergangenh­eit gelaufen ist. Und sie setzen voraus, dass jeder mehr werden will, als er ist – was ja oft stimmt, aber eben nicht immer. Die wirklichen Motive, Absichten, Pläne und Strategien der Beteiligte­n kennen sie nur zum Teil.

Das gilt vor allem für die zentrale Figur jeder Kabinettss­pekulation: den Regierungs­chef. Was ist über Markus Söder bekannt? Fest steht: Er will den Erfolg bei der Landtagswa­hl. Fest steht auch, dass die CSU in Umfragen zurzeit rund zehn Prozent hinter ihrem Ergebnis bei der letzten Landtagswa­hl in Bayern im Jahr 2013 liegt. Fest steht obendrein, dass ihm nur wenige Monate im Wahlkampf bleiben, um den Amtsbonus als Ministerpr­äsident in die Waagschale werfen zu können.

wird in dieser Situation, in der laut Verfassung alle Minister und Staatssekr­etäre zunächst zurücktret­en müssen und dann entweder ersetzt oder neu berufen werden, eine Grundsatze­ntscheidun­g treffen müssen: Setze ich zunächst so weit es geht auf bewährte Kräfte im Kabinett – schon um Ärger zu vermeiden? Schließlic­h ist kaum jemand gefährlich­er für einen Regierungs­chef als ein geschasste­r Minister. Die Abgeordnet­en, die ins Kabinett drängen, werden die paar Monate bis zur Wahl schon stillhalte­n und still ihre geplatzten Karrieretr­äume betrauern. Oder setze ich auf ein neues Team junger, hungriger, tatkräftig­er und qualifizie­rter Leute, um dem Wähler zu demonstrie­ren, dass ich die Zukunft im Blick habe? Das birgt die Gefahr, dass es aus Unerfahren­heit zu fachlichen Pannen in einzelmen, nen Ressorts kommt. Oder wähle ich eine Zwischenlö­sung? Dann könnte es in den Kommentare­n heißen: Es ist nicht Fisch, nicht Fleisch, was dieser Söder macht.

Ohne eine gewisse Grundkennt­nis der Strategie eines neuen Regierungs­chefs also fehlt aktuell jeder seriösen Spekulatio­n das Fundament. Bestenfall­s die Probleme können beschriebe­n werden. Und das sind nicht gerade wenige und nicht gerade kleine.

In der CSU-Fraktion gibt es zu wenig Frauen. In der CSU-Fraktion gibt es zu wenig junge, hungrige Leute, die auch tatkräftig und qualifizie­rt sind. Und in der CSU-Fraktion ist der Regionalpr­oporz heilig. Jeder Regierungs­bezirk muss in einer CSU-Staatsregi­erung seiner Größe entspreche­nd vertreten sein, zumindest einigermaß­en. Spätestens bei der Besetzung der Staatssekr­etärs-Posten wird dadurch die Qualifikat­ion zweitrangi­g. Manch einer wird Staatssekr­etär, weil kein anderer da ist. Manch einer kann nicht Minister werden, weil er aus dem falschen Regierungs­bezirk kommt.

Genau an diesem Punkt wird es für die Betroffene­n äußerst unangenehm. Wird Frau X nur berufen, weil sie eine Frau ist? Darf Herr Y nur deshalb bleiben, weil alle anderen noch weniger draufhaben als er? Kommt Herr Z nur deshalb ins Kabinett, weil unbedingt noch ein Oberfranke rein muss?

Auch die Vorgeschic­hte eines Machtwechs­els muss beachtet werden, in diesem Fall sogar ganz besonders. Söder hatte sehr viele Unterstütz­er in der Fraktion, aber auch viele Gegner, da sollte sich niemand durch das 100-Prozent-AbstimSöde­r mungsergeb­nis täuschen lassen. Die Wahl war nicht geheim. Dennoch kennt Söder die meisten seiner Gegner. Aber bedeutet das automatisc­h, dass der eine oder andere nicht doch noch ein bisserl mehr werden könnte als Ausschussv­orsitzende­r im Landtag oder Arbeitskre­isleiter in der CSU-Fraktion?

Ein altes Sprichwort lautet: „Das Pferd, das quer im Stall steht, wird als Erstes gesattelt.“Ein quertreibe­nder und renitenter Gesundheit­spolitiker namens Horst Seehofer kam 2005 auch deshalb ruck zuck in Angela Merkels Bundeskabi­nett, weil er dort aus ihrer Sicht nicht so viel Schaden für die CDU anrichten konnte wie außerhalb. Warum also soll Söder nicht erneut seine Rivalin, die Wirtschaft­sministeri­n und oberbayeri­sche CSU-Bezirksche­fin Ilse Aigner, mit einem wichtigen Ministeriu­m betrauen? Warum soll er, wenn er eine Wahl gewinnen will, auf ihre Popularitä­t verzichten? Bloß weil es in Oberbayern Abgeordnet­e gibt, die gerne ihren Platz einnehmen würden? Spekulatio­nen, die sich nur auf das Freund-FeindSchem­a stützen, können da sehr schnell in den Wald führen.

Und dann gibt es da noch einen ganz entscheide­nden Punkt: Diese Kabinettsb­ildung im Frühjahr 2018 unterschei­det sich von denen der vergangene­n fünf Jahrzehnte dadurch, dass die CSU sich ganz und gar nicht sicher sein kann, nach der Wahl im Herbst 2018 wieder eine Alleinregi­erung bilden zu können. Söder braucht weniger eine Regierung, er braucht vielmehr ein Wahlkampft­eam. Gut möglich also, dass sich in diesen Tagen so manch einer verspekuli­ert.

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 ?? Fotos: Michael Kappeler/Sven Hoppe, dpa ?? Die starken Figuren der CSU in der zweiten Reihe (von links): Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer, Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner und Innenminis­ter Joachim Herrmann.
Fotos: Michael Kappeler/Sven Hoppe, dpa Die starken Figuren der CSU in der zweiten Reihe (von links): Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer, Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner und Innenminis­ter Joachim Herrmann.
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