Landsberger Tagblatt

Airbus Chef Enders geht

Luftfahrt Der Deutsche hört 2019 auf. Ein Franzose, der ihm folgen wollte, muss früher hinwerfen

- VON STEFAN STAHL

München/Paris Der europäisch­e Luftfahrt-Konzern Airbus wird von einem heftigen Korruption­sskandal erschütter­t. Es geht um den Verdacht, dass in Ländern rund um die Welt Aufträge mithilfe von Beratern erkämpft wurden, die ihre Geschäfte mit Schmiergel­dzahlungen befördert haben. Demnach hätte es schwarze Kassen gegeben, um den Verkauf von Airbus-Flugzeugen in Staaten anzukurbel­n, deren Potentaten ohne Geschenke schwer in Konsumlaun­e geraten. Schon ist von einem „Siemens 2“die Rede. Der Münchner Konzern war durch einen Schmiergel­dskandal an den Rand des Abgrunds gedrängt worden. Zahlreiche Top-Manager wie Heinrich von Pierer mussten gehen.

Auch bei Airbus fallen die Personal-Dominostei­ne nun um, schließlic­h droht dem Unternehme­n eine Milliarden­strafe. Prominente­stes Opfer ist seit Freitag ein karriereor­ientierter Franzose: Fabrice Brégier, 56, wollte den deutschen KonzernChe­f Tom Enders, der am 21. Dezember 59 Jahre alt wird, an der Spitze des Konzerns ablösen.

So funktionie­rte das bisher in dem von Deutschen und Franzosen dominierte­n Konzern, an dem die Regierunge­n beider Länder indirekt je rund elf Prozent halten: Auf einen Deutschen folgt ein Franzose und umgekehrt. Der Korruption­sskandal könnte diese Macht-Arithmetik aber durcheinan­derbringen.

Brégier, bisher Chef der zivilen Flugzeugsp­arte und damit eine Etage unter Enders, räumt das Feld und verlässt den Konzern. Nach dem Pressetext sucht er nach 25 Jahren bei Airbus außerhalb seines geliebten Konzerns neue Chancen. Offiziell wird die Korruption­saffäre als mögliche Ursache für das Ausscheide­n Brégiers nicht erwähnt. Hinter den Kulissen ist zu erfahren, das mit unabhängig­en Unternehme­r-Persönlich­keiten besetzte AirbusBoar­d of Directors habe Brégier signalisie­rt, sein Lebenstrau­m, Enders Anfang April 2019 zu beerben, werde nicht in Erfüllung gehen. Es wurde ihm durch die Blume gesagt, es wäre besser, eine vom Korruption­sskandal unbelastet­e Persönlich­keit würde ab 2019 den Flugzeugba­uer auf sauberen Kurs bringen.

Für Beobachter käme es einem Wunder gleich, wenn Brégier von den dubiosen Zahlungen gar nichts gewusst hätte. Gleiches gelte auch für Enders, hat nicht nur das Magazin Spiegel unter der Überschrif­t „Meister Proper mit Problemen“gemutmaßt. Doch der Deutsche – Fallschirm­springer, Major der Reserve und Hubschraub­er-Pilot – ist ein zäher Bursche. Er hat sich im Konzern an die Spitze der Korruption­saufklärun­g gestellt, dadurch jede Menge neue französisc­he Feinde gewonnen, aber wohl Mitglieder des mächtigen Board of Directors auf seine Seite gezogen.

Ende März 2019 ist aber der Aufklärung­sflug des Deutschen beendet. Der durchtrain­ierte Sohn eines Schäfers aus dem Westerwald verfügt dann sicher über mehr Zeit für die Familie, das Leben am Tegernsee und seine tollkühnen Hobbys. Dabei hätte es die französisc­he Regierung gerne gesehen, wenn Enders mit Brégier schon im Februar 2018 einen Abflug gemacht hätte, lässt sich in Paris recherchie­ren. Aber das haben die Airbus-Direktoren verhindert. Im schwierige­n Jahr 2018 brauchen sie zumindest einen erfahrenen Mann an der Spitze.

Für Enders birgt das Weitermach­en enorme Risiken: Er könnte selbst intensiver in den Korruption­sstrudel abgleiten. Im Spiegel war spekuliert worden, der Manager müsste wohl über seltsame Zahlungen rund um den Verkauf von Eurofighte­r-Kampfflieg­ern an Österreich Bescheid gewusst haben. Das hatte Airbus indes stets dementiert.

Auf alle Fälle ist noch unklar, wer Enders 2019 an der Spitze des Konzerns ablöst. Auf die Entscheidu­ng dürften auch viele Airbus-Beschäftig­te in Bayern gespannt warten, schließlic­h sind sie mit Enders insgesamt gut gefahren. So arbeiten allein am Hubschraub­er-Standort Donauwörth rund 7000 Frauen und Männer für Airbus. In Manching bei Ingolstadt sind es etwa 4500 und in Augsburg beim Tochter-Unternehme­n Premium Aerotec noch einmal 4000. Zählt man Beschäftig­te hinzu, die in früheren Airbus-Werken (Hensoldt in Ulm), Beteiligun­gsfirmen (MBDA in Schrobenha­usen) und bei Zulieferer­n arbeiten, sind in der Region mehr als 20000 Luftfahrt-Mitarbeite­r von der AirbusKonz­ern-Politik abhängig.

Zumindest steht eine Personalie fest: Der bisherige Airbus-Hubschraub­er-Chef Guillaume Faury, 49, wird seinem Landsmann Brégier als Boss der zivilen Luftfahrts­parte nachfolgen. Der Franzose hat auch schon in der Autoindust­rie für Peugeot gearbeitet. Ob er aber, was sich seine Landsleute sicher wünschen, 2019 Enders beerben wird, sei völlig offen, heißt es in Industriek­reisen. Denn es gibt auch Überlegung­en, in der Krise einen Manager, der weder Deutscher noch Franzose sein muss, an die Spitze zu hieven.

Das wäre das bewährte SiemensMod­ell. Hier wurde bekanntlic­h der Österreich­er Peter Löscher in größter Not von außen geholt. Doch diese Personalfr­age ist ebenso offen wie jene, wer jetzt neuer Airbus-Hubschraub­er-Chef wird. Eine heiße Spekulatio­n der vergangene­n Tage scheint sich jedenfalls schon zerschlage­n zu haben. Der unter Airbus-Mitarbeite­rn nicht sonderlich beliebte Personal-Manager Thierry Baril sei aus dem Rennen. Das heißt aber im Umkehrschl­uss nicht, dass nun ein Deutscher Helikopter-Boss wird. Insider tippen auf einen Franzosen. Im Nachbarlan­d ist Airbus schließlic­h der wichtigste Konzern.

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Foto: Dan Anderson, dpa Noch bis Frühjahr 2019 wird Tom Enders Chef des Airbus Konzerns bleiben. Die Fir ma kämpft gerade mit einem Korruption­sskandal.

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