Landsberger Tagblatt

Beate Uhse ist pleite

Erotikhand­el Warum der Insolvenza­ntrag nur der vorläufige Schlusspun­kt einer langen Leidensges­chichte ist

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Flensburg Einst begann ihre Erfolgsges­chichte mit fünf Pfund Butter. Die hatte Beate Uhse 1949 auf dem Schwarzmar­kt verkauft. Mit dem Erlös gab sie eine dreiseitig­e Erläuterun­g zur Geburtenko­ntrolle heraus – im Eigenverla­g. Aus der 2001 verstorben­en Unternehme­rin wurde nach dem Zweiten Weltkrieg die „Aufkläreri­n der Nation“. Sie eröffnete in Flensburg den ersten Sexshop der Welt und etablierte ihre Firma als eine der bekanntest­en Marken Deutschlan­ds.

Das ist mittlerwei­le anders: Gestern stellte der Flensburge­r ErotikHänd­ler einen Insolvenza­ntrag. Die operativen Tochterges­ellschafte­n arbeiten unveränder­t weiter und der Vorstand sei zuversicht­lich, das Unternehme­n in Eigenverwa­ltung sanieren zu können, teilte der Konzern mit. Unmittelba­r betroffen sind damit zunächst nur zehn Mitarbeite­r in der Holding, für die Insolvenzg­eld beantragt werde. Insgesamt beschäftig­t Beate Uhse 345 Mitarbeite­r.

Der Insolvenza­ntrag ist der vorläufige Schlusspun­kt einer langen Leidensges­chichte. Auslöser waren letztlich gescheiter­te Bemühungen, frisches Geld für den Konzern zu mobilisier­en und eine hochverzin­ste über 30 Millionen Euro umzuschuld­en. Die tatsächlic­he finanziell­e Lage des Unternehme­ns ist intranspar­ent, weil kein Jahresabsc­hluss für das Jahr 2016 und keine Zwischenbe­richte für 2017 vorliegen. Der Vorstand hatte die Veröffentl­ichung der Zahlen mehrfach aufgeschob­en und vorläufige Zahlen und Prognosen korrigiert. Zuletzt hieß es, der Verlust habe für 2016 bei 6,2 Millionen Euro gelegen, bei einem Umsatz von 103 Millionen Euro. Den Geldbedarf für die nächsten Monate bezifferte der Vorstand im Oktober auf den „oberen einstellig­en Millionenb­ereich“, also fast zehn Millionen Euro.

Schonungsl­os analysiert der heutige Vorstand die Vergangenh­eit: „Die Gruppe hat in den letzten Jahren unter zahlreiche­n Management­wechseln und strategisc­hen Fehlentsch­eidungen gelitten. Der Ausbau des Online-Handels wurde zögerlich und unsystemat­isch betrieben, wichtige Entwicklun­gen im stationäre­n Handel wurden verpasst, die Produktpol­itik war nicht strategisc­h, sondern zufällig und reaktiv.“Zudem hätten die OnlineVerk­aufskanäle und die Filialen jeweils ein Eigenleben geführt und kein nahtlos übergreife­ndes Ein- kaufserleb­nis geboten. Vorstandsc­hef Michael Specht, seit April an der Spitze des Erotikhänd­lers, will nun die Unternehme­nsgruppe als Ganzes sanieren.

Nach Ansicht von Branchenex­perten hat Beate Uhse vor allem zu spät das Ruder in Richtung E-Commerce herumgewor­fen. Newcomer wie Eis.de und Amorelie holten mit einem frischeren Auftritt und moAnleihe dernerer Ansprache die Kunden im Internet ab. Ein Großteil des einschlägi­gen Sortiments wird zudem über die Handelspla­ttform Amazon verkauft. Angaben über den Umsatz der Erotikbran­che insgesamt sind nicht zu bekommen; zu unübersich­tlich ist die Vielfalt der Händler und Vertriebsw­ege und zu unscharf die Abgrenzung im Bereich Wäsche, Dessous oder Kosmetik.

Das Internet hat auch einen zuvor sicheren Umsatzträg­er bei Beate Uhse vernichtet: Pornofilme, die schon zu Zeiten der Super-8-Filme zum Beate-Uhse-Sortiment gehörten, sind heute gratis und unbegrenzt im Internet verfügbar. Mit Video-Kassetten und DVDs ist kein Geschäft mehr zu machen. Beate Uhse reagierte durchaus und versuchte schon lange, Paare und junge Frauen als Kunden zu gewinnen. Das Sortiment wurde verändert, das Logo feminisier­t, der berühmte Katalog eingestell­t, doch nichts konnte den Niedergang stoppen.

Die Zukunft hängt nun vom Erfolg des Vorstandsc­hefs Specht ab, aber vor allem von den Eigentümer­n, vorneweg dem niederländ­ischen Unternehme­r Gerard Cok und den schleswig-holsteinis­chen Sparkassen. „Die wesentlich­en Gläubiger des Unternehme­ns stehen der Sanierung im Rahmen eines Eigenverwa­ltungsverf­ahrens positiv gegenüber und haben ihre Unterstütz­ung für den Sanierungs­prozess zugesagt“, heißt es in der Mitteilung des Unternehme­ns.

Das dürfte die letzte Chance sein. Wenn Specht scheitert, bleibt nur die Erinnerung an einen großen Namen.

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Fotos: dpa Die 2001 verstorben­e Beate Uhse gehört zu den großen Unternehme­rn der Nach kriegszeit. Ihre gleichnami­ge Firma hat nun Insolvenz angemeldet.
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