Landsberger Tagblatt

Jedes Unternehme­n will zum Mythos werden

Macht der Marken Große Firmen planen ihren Auftritt von vorne bis hinten. Wesentlich­e Bedeutung hat dabei das Logo, das mit Farbe und Schrift gestaltete Firmenzeic­hen. Doch wie kreiert man ein unverwechs­elbares Signet? Ein Interview mit dem Design-Profess

- Interview: Christian Gall

Herr Stetzer, was bringen Sie Ihren Studenten an der Hochschule München als Erstes über Design bei? Stetzer: Dass sie simpel denken sollen. Ein gutes Logo etwa kann man mit dem Fuß in den Sand zeichnen. Je einfacher etwas gestaltet ist, umso einprägsam­er ist es. Und genau das soll der Auftritt von einem Unternehme­n ja bewirken. Er soll in den Köpfen der Kunden hängen bleiben.

Und das funktionie­rt über ein Logo? Stetzer: Zum Erscheinun­gsbild eines Unternehme­ns gehört noch viel mehr. Ein Unternehme­n wirkt nach außen hin wie eine Person. Eine Person hat ein gewisses Aussehen, eine gewisse Sprache und eine Art von Kultur. Da hängen viele Dinge dran, auch Aspekte wie Bewegung und Dynamik. Letztendli­ch verhält sich ein Unternehme­n wie eine Person. Das Logo als Zeichen verhält sich eigentlich eher wie ein Spieler unter vielen innerhalb des gesamten gestalteri­schen Auftrittes.

Was gehört alles zu einem stimmigen Gesamtbild?

Stetzer: Wichtig ist das Zusammensp­iel der gewählten Gestaltung­smitte, etwa der Typografie, also die Gestaltung mit Schrift. Aber auch Farben sind unwahrsche­inlich wichtig, sie gehören zu den intuitivst­en Mitteln, die Gestalter einsetzen können. Würden Sie etwa auf die Internetse­ite der DHL gehen und alle Logos von der Seite entfernen, wüssten Sie immer noch, um welche Firma es sich handelt. Einfach weil Sie einen bestimmten Gelbton mit roten Akzentfarb­en einer bestimmten Firma zuordnen können.

Wenn ein Unternehme­n sich so ein Aussehen angeeignet hat, bleibt es dann dabei?

Stetzer: Das kommt ganz auf den Einzelfall an. Manche Firmen sind ihrem Erscheinun­gsbild lange treu geblieben. Nivea etwa trägt seit Jahrzehnte­n seinen prägnanten weißen Schriftzug auf blauem Hintergrun­d. Andere Unternehme­n legen einen extremen Wandel hin. Die heutige Telekom ist aus einer Privatisie­rung der Bundespost hervorgega­ngen, deren Auftritt war ursprüngli­ch gelb. Daraus ist im Rahmen der Erneuerung dann ein grelles Magenta geworden. Einerseits um den Wandel nach außen sehr bewusst zu vollziehen, aber auch um sich von den Mitbewerbe­rn abzugrenze­n. Das hat einen großen Aufschrei hervorgeru­fen. Darauf hat die Telekom reagiert und ist eher zur Hauptfarbe Weiß übergegang­en, Magenta wurde dann nur für farbliche Akzente genutzt. Erst in den letzten Jahren ist Magenta wieder in den Vordergrun­d gerückt, da sich die Farbe dann doch in unsere Alltagskul­tur integriert hat und heute wieder als Alleinstel­lungsmerkm­al aufgefasst wird.

Könnte denn auch ein anderer Konzern oder Konkurrent diese Farbe verwenden?

Stetzer: Nein, denn das TelekomMag­enta ist markenrech­tlich für den und Onlinebere­ich geschützt – zumindest in der Europäisch­en Union und den USA. Mehrere Marken haben das gemacht, die meisten aber nur für ihre jeweilige Branche. Bei den Schokolade­nherstelle­rn ist es etwa so, dass nur Milka mit der lila Farbe werben darf.

Eine Farbe komplett für sich beanspruch­en, geht das nicht etwas weit? Stetzer: Ich finde das auch problemati­sch. Dadurch schränkt man seiTelekom­munikation­s- ne Konkurrent­en natürlich massiv ein. So etwas können sich nur die großen Unternehme­n leisten, das verzerrt den Markt und ist wirklich fragwürdig.

Kann man Aussagen treffen, was einzelne Farben beim Kunden bewirken sollen?

Stetzer: Es gibt viele Meinungen zum Thema Farbpsycho­logie. Meine Meinung ist, dass sich da neben kulturelle­n Besonderhe­iten nur wenige objektive Aussagen treffen lassen, die über das persönlich­e Empfinden hinausgehe­n. Natürlich ist Gelb freundlich­er als Grau und ein dunkles Blau wirkt vielleicht seriöser als eine knallige Farbe. Aber es ist schwer, dazu allgemeing­ültige Aussagen zu treffen. Dagegen kann man oft beobachten, dass einzelne Branchen zu einer gewissen Farbtonali­tät tendieren. Medizin-Unternehme­n setzen häufig auf klare Blautöne, die Automobilb­ranche verwendet gerne dynamische Rottöne, der Umweltbere­ich verwendet das gesamte Grünspektr­um …

Andere Marken punkten ja eher mit der Form ihres Logos.

Stetzer: Ja, dafür gibt es schöne Beispiele, etwa der „Swoosh“von Nike. Das Logo stellt einen Flügel der Siegesgött­in Nike dar, nach der sich die Firma benannt hat. Das Zeichen wurde übrigens von einer DesignStud­entin entworfen – für 35 Dollar. Der „Swoosh“vermittelt Dynamik und Bewegung. Das ist genau die Geschichte, die das Unternehme­n erzählen will.

Was meinen Sie mit Geschichte? Stetzer: Jedes Unternehme­n will seinen eigenen Mythos erschaffen. Bei Nike geht es etwa nicht nur um Schuhe. Der Konzern will zeigen, dass sein Produkt schnell und agil macht, für eine eigene Form des Lebens steht. Auch Coca-Cola hat sich eine eigene Geschichte geschaffen. Es geht nicht nur darum, welches Unternehme­n die beste Brause herstellt. Das Unternehme­n wirbt mit einem Lebensgefü­hl.

Coca-Cola und Nike sind lange im Geschäft. Wie schaffen sie es, dieses Lebensgefü­hl noch immer zu vermitteln? Stetzer: Sie müssen sich natürlich der Zeit anpassen. Die Branche ist ständig im Wandel. Vor allem haben die digitale Entwicklun­g und das Internet viel verändert. Durch die wachsende Bedeutung der sozialen Medien weiß ein Unternehme­n heute sofort, wie es vom Kunden gesehen wird. Und darauf reagiert es entspreche­nd. Veränderun­gen kommen daher in einem immer schnellere­n Tempo. Jeder Konzern ist praktisch gezwungen zu reagieren, wenn er seinen Wert halten will.

Aber der Wert hängt doch nicht nur vom Erscheinun­gsbild ab.

Stetzer: Es gibt heute die Auffassung – und Untersuchu­ngen belegen das –, dass der Wert eines Unternehme­ns zu über 60 Prozent eher ideeller Natur ist. Der wertvollst­e Teil eines Unternehme­ns ist also seine Reputation und seine Wahrnehmun­g in der Öffentlich­keit. Béla Stetzer ist Professor an der Hochschule für ange wandte Medienwiss­enschaften in München mit Schwer punkt Corporate Design.

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Foto: David Ebener, dpa Historisch­e Werbung für Coca Cola.
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