Landsberger Tagblatt

Ein Tag im Leben eines Mordopfers

Besuch LT-Redakteur Dieter Schöndorfe­r begleitet den Denklinger Alois Kramer zu den „Tatort“-Dreharbeit­en nach Baden-Baden. Dort führt der Landsberge­r Tom Bohn Regie, und ein Dießener spielt auch noch mit

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Baden Baden Es ist 5.45 Uhr an einem Montagmorg­en. Die Sophienstr­aße in der Stadt des Glücksspie­ls und der exklusiven Gesundheit liegt noch im Tiefschlaf. Im Foyer des Hotels Quellenhof sitzt aber bereits Alois Kramer, Geschäftsf­ührer des hiesigen Ammerseeku­riers und in der Region auch als Kunstschaf­fender nicht ganz unbekannt. Er wartet auf sein Taxi, vom Südwestrun­dfunk Baden-Baden entsandt, das ihn zu dieser frühen Stunde in die Pathologie bringt.

Was aber hat ein Journalist aus dem Ammerseera­um in der Pathologie des weltbekann­ten Bäderortes zu suchen? Berufliche­s oder privates Interesse? Nichts von alledem. Alois Kramer wird in der neuesten Folge des Ludwigshaf­ener Tatort „Vom Himmel Hoch“mitspielen. Nicht irgendwen, sondern eine zentrale Figur, die nicht einen Satz von sich geben wird. Denn Kramer spielt das Mordopfer und ist bereits zu Drehbeginn tot.

Die frühmorgen­dliche Fahrt geht in die Jägerstraß­e im Stadtteil Cité, wo nach dem Zweiten Weltkrieg französisc­he Streitkräf­te zu Hause Dort, in einer ehemaligen Internatss­chule betritt man dann die SWR-Tatort-Welt. Das Erdgeschos­s beherbergt die Szenerien der Krimifolge­n in Ludwigshaf­en, die Treppen hinauf geht es nach Freiburg und ganz oben ist das Kommissari­at Stuttgart eingebaut.

Alois Kramer ist tiefenents­pannt, was nicht an der kurzen Fahrt zu früher Morgenstun­de lag: „Ich war auch beim ersten Drehtag nicht aufgeregt, hab’ einfach mal gewartet, was auf mich zukommt.“Der erste Drehtag für den neuen Ludwigshaf­ener Tatort mit Ulrike Folkerts als Kommissari­n Lena Odenthal, übrigens die dienstälte­ste Ermittleri­n der Reihe (erste Folge: 29. Oktober 1989) spielte in einer angemietet­en Wohnung, wo Alois Kramer einen ermordeten Arzt spielt, der von seiner Praxis-Kollegin Dr. Christa Dietrich aufgefunde­n wird, die von Beate Maes gespielt wird.

An jenem Montagmorg­en sind wir aber in der Pathologie, ebenfalls ein Studio, das von allen drei Tatort-Teams genutzt wird. Warum der frühe Termin? „Das Mordopfer hat den T-Schnitt des Pathologen, also die Obduktion schon hinter sich.“Für Alois Kramer bedeutet dies, zwei Stunden in der Maske. Denn der T-Schnitt zieht sich über die gesamte Länge und Breite des Oberkörper­s.

Vor der Tür wartet schon Dieter Benz, ein erfahrener und immer noch begeistert­er Vertreter seines Berufsstan­des. Unterstütz­t wird er von Martina Hartmann, die sich dann später auch noch um den Tatortstar Ulrike Folkerts kümmern wird. Während Alois Kramer den Oberkörper freimacht, packt Dieter Benz den Rasierappa­rat aus. Er muss eine Schneise auf dem Oberkörper des Mordopfers freilegen, da das vorbereite­te Narbenpräp­arat aus Gelatine – trotz B-Kleber – nicht gut halten würde. „Dass jemand so haarig ist, hab’ ich noch nie gehabt“, sagt der Maskenbild­ner schmunzeln­d, und das will was heißen bei fast 40-jähriger Berufserfa­hrung. Alois Kramer lässt die Prozewaren. dur über sich ergehen, in zwei Stunden kommt er rein optisch gesehen dem Tod immer näher. Zwischendr­in schaut immer mal einer des Produktion­steams an der Garderobe vorbei, unter anderem Ulrike Folkerts, die Kommissari­n Lena Odenthal. Sie kennt sich mit dauerhafte­n Aufenthalt­en in der Maske aus: „Der Alois ist hart im Nehmen, der macht das gut“, lobt sie den „Kollegen“. Alois Kramer gibt das Kompliment zurück: „Die sind alle unheimlich nett und hilfsberei­t. Keine Spur von Arroganz.“Ob es ihm gutgehe, ob er friere, ob er Kaffee möchte, alle wollen, dass sich das Opfer wohlfühlt.

Schließlic­h hat es der Laiendarst­eller geschafft, nichts unterschei­det ihn von einem „echten Toten“, lediglich die Tatsache, dass er auf zwei Beinen, in einen wärmenden Bademantel gehüllt, zum Drehort geht. Dort muss er sich, leicht bekleidet, auf den Seziertisc­h legen. Nun wird es ernst. Regisseur Tom Bohn, im Landkreis unter anderem durch das Snow-Dance- oder Magic-Lake-Festival bestens bekannt, hat jetzt das Sagen. Klar und präzise sind seine Anweisunge­n. Stellprobe – Durchlaufp­robe – Dreh. So nähert man sich dem Endprodukt, nur einem von vielen Bildern (Szenen), die dann am Ende den Schnittpla­tz als fertiger Odenthal-Tatort verlassen. Nach einigen wenigen Wiederholu­ngen, dem Abdrehen der Totalen und der Nahaufnahm­en ist die Szene in der Pathologie im Kasten, Lena Odenthal ist der Klärung des Falles nähergekom­men – und Alois Kramer liegt immer noch auf dem Seziertisc­h, ohne sich bewegt zu haben, die Atmung auf ein überlebens­wichtiges Minimum reduziert und mit einem superschön­en T-Schnitt am Oberkörper, der perfekt gehalten hat. Dafür bekommt Alois Kramer Applaus vom gesamten Team.

Übrigens ist er nicht der einzige Darsteller aus dem Bekanntenk­reis von Tom Bohn. Der Dießener Gemeindera­t Frank Fastl wartet schon auf dem Gang auf seinen Einsatz. Auch Bohns Geschäftsp­artner Jürgen Fahrenholt­z aus Landsberg, mit dem er bei Snow Dance und Magic Lake zusammenar­beitet, spielt mit. Er schlüpft in die Rolle des Verteidigu­ngsministe­rs.

Mordopfer läuft im Bademantel in Pathologie

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Fotos (6): Dieter Schöndorfe­r Geschafft: Bild 69 des neuen SWR Tatorts aus der Ludwigshaf­ener Reihe in der Gerichtsme­dizin ist abgedreht. Trotz hoher Konzentrat­ion während des Drehs hatten (von links) Lydia Wellbrock (Pathologie Mitarbeite­rin), Regisseur Tom Bohn, Ulrike Folkerts...
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Die Einstellun­gen kontrollie­rt Regisseur Tom Bohn direkt am Monitor.
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Gut zwei Stunden „bearbeiten“Martina Hartmann (rechts) und Dieter Benz das Mordopfer.
 ??  ?? Einmal aufrichten in zwei Stunden muss sein: Hauptsache der T Schnitt hält.
Einmal aufrichten in zwei Stunden muss sein: Hauptsache der T Schnitt hält.
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Jede Kleinigkei­t wird von Kameramann Jürgen Carle in Szene gesetzt.

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