Landsberger Tagblatt

Vom Rand des Orients

Angelite Bulgarisch­er Frauenchor mit hochkaräti­gen Kompositio­nen

- VON BÄRBEL KNILL

Landsberg Ein Chorkonzer­t in der Adventszei­t ist ja immer etwas Schönes. Der bulgarisch­e Frauenchor „Angelite“unter der Leitung von Georgi Petkov bot im Landsberge­r Stadttheat­er jedoch eine Musik, die fremd und archaisch klang und von einem Volk weit entfernt im Osten erzählte, an der Grenze zum Orient. Der Gesang bulgarisch­er Frauen ist ein einzigarti­ges Phänomen, das sich jeder einmal anhören sollte, der sich für Vokalmusik interessie­rt.

Irgendwie passen sie dann doch zur Weihnachts­zeit in ihren farbenpräc­htigen Trachten, bei denen verschiede­ne Muster kombiniert werden, viele mit Goldpaille­tten und -stickereie­n verziert, die im Scheinwerf­erlicht der Bühne glitzern. Die ebenfalls bunten Kopftücher der 18 Frauen sind mit Blumenkrän­zen geschmückt. Dabei sieht jede einzelne Tracht ganz anders aus als die andere, und doch geben sie ein einheitlic­hes Bild ab.

Sie beginnen mit einem volkstümli­chen Lied, leicht plätschert die Melodie über einer tiefen Bordunlage dahin, die durch ihre Zweistimmi­gkeit im Quintabsta­nd sofort an alte, orthodoxe Kirchenges­änge erinnert. Diese Technik ist gleichsam der rote Faden dieser Musik. Erstaunlic­h ist es, wie voll und satt die Frauen so tiefe Töne singen können, ohne dass sie gedrückt oder fest klingen. Überhaupt ist die Gesangstec­hnik von Angelite (und die in der bulgarisch­en Volksmusik) anders als unsere westliche. Die Stimme bleibt in der Brust, wird absichtlic­h durch die Kehle gepresst, was ihr einen geraden, schneidend­en, kehligen Klang verleiht, ähnlich einem Kind, das laut ruft. Dadurch bleibt der Gesang immer gerade, schlicht und volkstümli­ch. Dabei bestechen die Angelite-Chorsänger­innen jedoch durch extrem saubere Intonation und höchste Disziplin bei den messerscha­rfen Einsätzen und Absprachen. Kaum merklich entwickelt sich das Programm von der leichten Volksmusik, die durchaus auch mal humorvoll sein kann, mit lustigen Lautmalere­ien und Pausensetz­ungen, zum Chorkonzer­t der Oberklasse mit höchstem Schwierigk­eitsgrad. Letzteres offenbart sich in den Stücken des zeitgenöss­ischen Komponiste­n Ivan Spassov.

Es wird ein Echo-Effekt erzielt, indem jede Sängerin einzeln einsetzt, einen halben Takt nach der anderen. Wenn dadurch dann ein riesiger, 18-stimmiger Clusterakk­ord entstanden ist, finden die Sängerinne­n plötzlich wieder in eine Tonart, nur um diese wieder mit engen Harmonien aufzureibe­n. Dazu stellt sich der Chor in gemischten Stimmen auf oder bildet mehrere Gruppen. Sehr beeindruck­end wirkt auch ein Stück, das als Zwiesprach­e zwischen einem Solo-Quartett und dem Chor angelegt ist.

Von solch schwierige­n Stücken erholen sich Chor und Zuschauer bei den rhythmisch­en, temporeich­en Volksstück­en, zu denen sicher auch oft getanzt wird. Man bekommt einen kleinen Einblick in die gelebte Gesangstra­dition der bulgarisch­en Frauen. Das begeistert­e Publikum erklatscht­e sich stehend zwei Zugaben, darunter ein „Stille Nacht“auf Bulgarisch. Mit Jubel wurde der Chor verabschie­det.

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Foto: Thorsten Jordan „Angelite“30 Jahre Jubiläumst­our Bulgarisch­er Frauenchor.

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