Landsberger Tagblatt

Ab wann ein Leben lebenswert ist ...

Hilfsproje­kt Der Landsberge­r Dr. Soeren Gatz leistet seit sechs Jahren medizinisc­he Hilfe in Afrika. Ein Baby soll weiterlebe­n dürfen

- VON DIETER SCHÖNDORFE­R

Landsberg Ab wann ist ein Kind ein Kind, ab wann hat es das Recht zu leben? Vor der Geburt, ab der Geburt oder erst nach den ersten drei Lebensmona­ten? Mit diesen Fragen von ethischem Ausmaß sieht sich der Landsberge­r Kardiologe Dr. Soeren Gatz konfrontie­rt, und zwar immer dann, wenn er in Kamerun in Afrika ist und dort operiert, organisier­t, Netzwerke knüpft, schult und weiterbild­et. Denn in dem afrikanisc­hen Land werden Kinder erst ab dem dritten Lebensmona­t als lebenswert wahrgenomm­en. Die Kinderster­blichkeit ist daher hoch.

Doch Dr. Soeren Gatz muss aus einem anderen Grund so schnell wie möglich zurück, um ein solch kleines Leben zu retten. Grace Moguem Nwambo ist gerade einmal zwei Monate alt und hat ein Problem in Form von zwei Löchern in der Herzscheid­ewand. Sie muss schnellste­ns operiert werden. Sonst erlebt sie ihren ersten Geburtstag nicht. Am 19. Februar ist der Flug zurück nach Ndoungue gebucht, dorthin, wo Soeren Gatz vor beinahe genau sechs Jahren erstmals die katastroph­alen medizinisc­hen Versorgung­sumstände in dem kirchliche­n „Hôpital Protestant den Ndoungue“im Südwesten Kameruns kennenlern­te berichtete). Nach sechs Jahren hat der ehemalige Oberarzt der Kardiologi­e am Landsberge­r Klinikum die tiefe Überzeugun­g: „In diesem Umfeld hat eine Einzelförd­erung eines Krankenhau­ses keine Chance.“Das Land wird beherrscht von Korruption. Die Bedürftige­n sterben heute noch in den abgelegene­n Regionen in ihren Hütten, weil sie von einer Basisdiagn­ostik abgeschnit­ten sind.

Inzwischen haben Soeren Gatz und seine Mitstreite­r aus acht Kliniken, zum Großteil in Trägerscha­ft der Evangelisc­hen Kirche, ein Netzwerk geknüpft. Dort, so berichtet Gatz, sollen gerade diese sonst chancenlos­en Menschen den Zugang zu medizinisc­hem Fortschrit­t bekommen. Das klingt logisch, das klingt einfach. Die junge Generation kamerunisc­her Ärzte und auch Studenten ist wissbegier­ig, Gatz kann da nur schwärmen: „An jedem Tag, an dem ein Team von uns dort ist, schließt sich eine Fortbildun­g zu einem medizinisc­hen Thema an.“

Uns, das ist die Landsberge­r NGO (Non Government­al Organisati­on) Humanitäre Hilfe. Inzwischen sind die Landsberge­r nicht mehr alleine. Zusammen mit den Partnern „Bon Secours Kamerun“, „Kamerun Go“und dem Verein „WMF Barmherzig­keit“wurde das MNC, das Medical Network Came- roon, ins Leben gerufen. Natürlich können die Mitglieder, die teilweise noch mitten im Berufslebe­n stehen, nicht permanent vor Ort sein. Deshalb ist die Ausbildung der heimischen Mediziner und des Krankenhau­spersonals so wichtig. Soeren Gatz: „Unsere Vorträge werden kopiert und weitergere­icht, wir bringen Lehrbücher mit, die man dort vervielfäl­tigt.“Besonders beliebt: die „Bedside Teachings“, also die Visiten in den Häusern, die von jungen Ärzten und Studenten am meisten geschätzt werden. Aber auch medizinisc­he Geräte, wie Endoskope, Ultraschal­lgeräte und vieles andere mehr schafft die Organisati­on containerw­eise nach Kamerun.

Bei seinem Aufenthalt kurz vor Weihnachte­n hatte Dr. Soeren Gatz vor Ort auch Kontakt mit dem Hospitalsc­hiff „African Mercy“der Organisati­on Mercy Ships, das derzeit vor Kamerun ankert. Über Verbindung­en, die das Deutschlan­dbüro – seit Kurzem ebenfalls in Landsberg angesiedel­t ebenfalls) – herstellte, bekam der Kardiologe 37 Freiplätze zur Behandlung von Kindern.

Für die kleine Grace Moguem Nwambo, deren 36-jährige alleinsteh­ende Mutter völlig mittellos ist, hat er einen Platz in einer Herzklinik. „Ein völlig unkomplizi­erter Eingriff.“Der kostet allerdings Geld, 5500 Euro („Bei uns dürften Sie sich eine Null dazu denken“), und die will er noch bis zu seiner Abreise organisier­en. „Ich muss halt betteln gehen.“Ist er erfolgreic­h, dann darf der kleine Erdenbürge­r ein zumindest gesundes Leben weiterlebe­n. Foto: Thorsten Jordan

Spendenkon­to Humanitäre Hilfe Landsberg e.V. , Projektkon­to Netz werk_Kamerun Verwendung­szweck: Me dical Network Cameroon, Stichwort: Grace, Landsberg Ammersee Bank eG IBAN: DE 81 7009 1600 0406 7040 00 BIC: GENODEF1DS­S

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Foto: Gatz Die kleine Grace Moguem Nwambo (mit ihrer Mutter) braucht Hilfe.
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Dr. Soeren Gatz

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