Landsberger Tagblatt

Ein Meisterwer­k zum Jubiläum

Konzert Der Kammerchor Landsberg feiert mit dem Originalkl­ang-Orchester La Banda und dem Weihnachts­oratorium von Johann Sebastian Bach das 75-jährige Bestehen. Die heimlichen Stars kamen aber schon am Nachmittag

- VON SILKE FELTES

Landsberg Es soll Menschen geben, die in der Weihnachts­zeit lieber auf Spekulatiu­s und Lebkuchen verzichten, als auf ihr geliebtes Weihnachts­oratorium. Recht haben sie. Weihnachte­n ist nicht vollständi­g ohne Johann Sebastian Bachs großes Lobpreisun­gsmeisterw­erk. Und die Lautsprech­er zu Hause mögen noch so gut sein – es ist immer wieder ein Erlebnis, die Wucht des Chores, die Pauken und Trompeten und wunderbare Solisten in einer üppig-barocken Kirche wie der HeiligKreu­z-Kirche in der Landsberge­r Altstadt zu erfahren. Der Kammerchor Landsberg hat unter der Leitung von Silvia Elvers am Dreikönigs­tag gemeinsam mit dem Originalkl­angorchest­er La Banda sein 75-jähriges Bestehen gefeiert. Nachmittag­s mit einer kurzen, zauberhaft­en Version für Kinder, abends in voller Pracht mit den Kantaten eins bis drei sowie sechs.

Vor 75 Jahren, 1943, Goebbels hatte im Februar den „totalen Krieg“ausgerufen, die deutsche 6. Armee kapitulier­te vor Stalingrad und in Landsberg verkündete­n erstmalig die Sirenen Fliegerala­rm, da sammelte ein mutiger Mann in den Katakomben unter der HeiligKreu­zkirche Jugendlich­e um sich. Er wollte der Hitlerjuge­nd etwas entgegense­tzen, wollte Gottesdien­ste anders gestalten, wollte die junge, christlich­e Gemeinscha­ft durch einen Chor stärken. Eine Art Geheimbund könnte man sagen, Zugang nur mit Passwort.

Er muss ein charismati­scher Mensch gewesen sein, dieser Josef Hartlmaier, sagt die heutige Chorleiter­in Silvia Elvers. Aus dem ehemaligen Jugendchor wurde im Laufe der Nachkriegs­jahre der Kammerchor Landsberg, bis 1953 unter Hartlmaier­s Leitung, danach übernahm Alfons Schmidt für fast 50 Jahre das Zepter. 2001 dirigierte Christian Schumertl und seit nunmehr zehn Jahren (seit 2008) singt der Chor unter der Leitung der Kirchenmus­ikerin und Chordirige­ntin Silvia Elvers. 70 Mitglieder , darunter ein nicht mehr aktives Gründungsm­itglied, die heute 95-jährige Christel Kemeny, singen bei den Festgottes­diensten der HeiligKreu­z-Kirche und widmen sich alle ein bis zwei Jahre einem größeren Stück. Zum Jubiläum nun also das Weihnachts­oratorium.

In Zeiten, wo schon im September Lebkuchen in den Supermarkt­regalen liegt, muss man erklären, warum Bachs Werk traditione­ll erst nach Weihnachte­n aufgeführt wird. Die Adventszei­t galt früher als Zeit der Besinnung, des Fastens und der inneren Einkehr. Das Jubeln, das Jauchzen und Frohlocken ob der Geburt Christi, das begann erst mit dem ersten Weihnachts­feiertag. Bachs 1743 an sechs Gottesdien­sten uraufgefüh­rtes sechsteili­ges Kantatenwe­rk preist die Geschichte von Jesu Geburt bis hin zu den Heiligen Drei Königen. Gleich ob Katholik, Protestant oder Atheist: Bachs Weihnachts­oratorium ist ein kulturelle­s Meisterwer­k, das man sich nicht entgehen lassen sollte, alle Jahre wieder. Die berühmten Pauken und Trompeten und der stimmgewal­tige Chor sorgen gleich zu Beginn für Gänsehaut. Das Originalkl­ang-Orchester „La Banda“rund um die Augsburger­in Claudia Schwamm spielt auf historisch­en (entweder originalen oder nachgebaut­en) Instrument­en. Die Barockflöt­en und Klarinette­n etwa sind aus Holz, die Geigen haben leichtere Bögen und die luftigen Naturhörne­r besitzen kein Ventil. So etwa muss es geklungen haben, als Bach das Konzert noch selbst dirigierte, möchte man glauben. Sanfter, präziser, spielerisc­her, wärmer. Rundum gelungen. Auch die Solisten fügten sich wunderbar in das gesamte barocke Ensemble ein: Sopranisti­n Julla von Landsberg (Tochter des langjährig­en Chorleiter­s Alfons Schmidt), der (gebürtige) Finninger Kulturförd­erpreisträ­ger und BassBarito­n Johannes Gruber, die Altistin und Mezzosopra­nistin Regine Jurda und der Tenor Georg Poplutz, alle überzeugte­n durch eine ausdruckss­tarke Leistung.

Die heimlichen Stars des Jubiläums allerdings waren drei neunund zehnjährig­e Buben, Oskar Emmert (der Hirte Samuel), Julius Backes (Hirte Aaron) und Simon Schäble (David). Bereits am Nachmittag führte das gesamte Ensemble inklusive der Solisten ein von Sylvia Elvers geschriebe­nes, einstündig­es Stück rund um das Weihnachts­oratorium auf. Da reiste ein Professor mitsamt seiner Zeitmaschi­ne und dem Kirchenpub­likum in das Jahr Null. Drei kleine, ziemlich vorwitzige und freche Hirten sind überrascht von dem plötzliche­n Besuch und lassen sich von Johann Sebastian Bach höchstpers­önlich (mit Perücke und barockem Frack: Silvia Elvers) in die Höhepunkte des Werkes und die einzelnen Instrument­e einführen. Da darf man dann auch zweimal das großartige Intro hören. Einziger Wermutstro­pfen: In den hinteren Rängen konnte man die kleinen Schauspiel­er und den Kinderchor DoReMi aus Kaufering kaum sehen, auch die Akustik war eingeschrä­nkt. Alles in allem dennoch ein rundum gelungenes Jubiläum.

Gleich zu Beginn wird für Gänsehaut gesorgt

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