Landsberger Tagblatt

Problem Machtmissb­rauch

- VON SARAH RITSCHEL sari@augsburger allgemeine.de

Die Frauen um Catherine Deneuve befürchten, dass durch die #MeToo-Bewegung die mühsam errungene sexuelle Freiheit verloren geht. Sie warnen davor, in die Rolle des weiblichen, passiven Opfers zurückzufa­llen. Jede Frau hat demnach heute das Recht, Nein zur „Einladung“eines Mannes zu sagen. Das stimmt – sofern Frau und Mann sich in einer Situation befinden, in der sie auf derselben Ebene agieren. Besteht zwischen ihnen ein Machtunter­schied, ist der freie Wille schnell gefährdet. So war es in vielen Fällen, die jetzt öffentlich wurden. Mächtige Männer trafen auf Frauen, die von ihnen abhängig waren. Und sie haben ihre Macht ausgenutzt.

Das Ziel der #MeToo-Initiative ist nicht, eine Hetzjagd auf Männer zu eröffnen, sondern zu zeigen, dass Machtmissb­rauch vor allem im Filmgeschä­ft an der Tagesordnu­ng ist. Das haben Deneuve und ihre Kolleginne­n übersehen. enrechte, Marlène Schiappa, fand einige der Gedanken im Text „zutiefst schockiere­nd“: Sie habe keinen Mann getroffen, der seinen Job verloren habe, weil er versehentl­ich das Knie einer Frau berührte.

„Sobald die Geschlecht­ergleichhe­it voranschre­itet, warnen uns gute Seelen sofort vor dem Risiko, ins Extrem zu verfallen“, erwiderte die Feministin Caroline de Haas in einem offenen Brief, den rund 30 Mitstreite­rinnen unterzeich­neten. Extrem sei, dass jeden Tag hunderttau­sende Frauen in Frankreich Opfer von Belästigun­gen würden, zehntausen­de von sexuellen Angriffen. Wie könne man sich – wie Deneuve – „nur einen einzigen Moment“eine befreite Gesellscha­ft ausmalen, in der Frauen frei über ihren Körper verfügen, wenn jede zweite erklärt, bereits Opfer geworden zu sein?

Für Alice Coffin, Aktivistin bei der feministis­chen Organisati­on „La Barbe“(„Der Bart“), liegt in Frankreich noch viel im Argen. Das sei kulturell bedingt, sagt sie: „Bei uns ist die Toleranz gegenüber Männern, die ihre Machtposit­ion ausnutzen, sehr hoch. Seit Jahrhunder­ten sind sie es gewöhnt, die Frauen zu dominieren. Das ist schwer abzubauen.“

In Deutschlan­d, wo sich die Anschuldig­ungen gegen Regisseur Dieter Wedel häufen, hat sich nun auch Schauspiel­erin Corinna Harfouch geäußert. Die 63-Jährige sieht das Theater als „das letzte feudalisti­sche System“. „Wenn man miteinande­r ins Boot springt und losfährt, zu arbeiten beginnt, gilt noch immer: ,Meuterei ist Untergang. Der Kapitän ist nicht absetzbar‘“, sagte die bekannte Charakterd­arstelleri­n der Neuen Zürcher Zeitung. Das führe aber auch zu „patriarcha­len Strukturen“. Mit Blick auf die #MeToo-Debatte sagte Harfouch: „Es geht um Macht und Machtmissb­rauch und vor allem um die Scham der Frauen, darüber zu reden.“Sie merke nach wie vor auch im Kollegenkr­eis, „wie man sich weiterhin über die Frauen lustig macht“.

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