Landsberger Tagblatt

Eine Rose ohne Dornen

Serie (35) Unsere einheimisc­hen Rosen duften nicht, dafür produziere­n sie gesunde Früchte. Und von denen hat jetzt im Winter nicht nur der Mensch etwas. Warum die Gebrüder Grimm irrten

- VON ANDREAS FLEISCHMAN­N

Landsberg Rosen im Winter vorzustell­en mag seltsam erscheinen – warum nicht im Sommer, wenn sie in voller Blüte stehen? Weil man die Wildrosen-Arten anhand der Blüten nicht gut unterschie­den kann, am leichteste­n geht es, wenn sie bereits ihre Früchte, die Hagebutten, tragen – also im Herbst und Winter. Denn jede Wildrose hat ihre ganz eigenen, typischen Hagebutten.

Sie sind je nach Art kugelrund bis länglich, glatt oder stachelig, rot oder schwarz gefärbt, weich oder hart, mit oder ohne „Krönchen“aus Kelchblätt­ern oben. Deshalb ist Rosenbesti­mmung für den Botaniker eher eine Herbst- oder Winterange­legenheit, denn die Hagebutten bleiben bis mitten in den Winter hinein hängen. Im Landkreis kommen sieben Arten von Wildrosen natürliche­rweise vor, einige davon noch recht häufig, zum Beispiel die blassrosa blühende Hundsrose (Rosa canina – ihren Namen hat sie von den gekrümmten Stacheln, die aussehen wie die Eckzähne eines Hundes) die oft in Hecken als Kletterros­e wächst, oder die leuchtend weiß blühende Kriechrose (Rosa arvensis), die als Bodendecke­r an sonnigen Waldränder­n vorkommt. Die Mai-Rose (Rosa majalis), am Lech an einigen Stellen zu finden, öffnet ihre rosa Blüten schon Mitte Mai, noch lange vor der Rosensaiso­n im Ziergarten. Sie ist mit ihren leuchtend roten, stachellos­en Zweigen auch sonst leicht von anderen Wildrosen zu unterschei­den. Um noch einen populären Irrtum aufzukläre­n: Rosen haben genau genommen keine Dornen, sondern Stacheln – Stacheln werden wie Haare als Aufwüchse auf den Stängeln und Blättern der Pflanzen gebildet, man kann sie von der Rinde ablösen. Dornen hingegen sind spitze, kurze Äste oder umgewandel­te Blätter, man kann sie nicht so einfach von der Rinde lösen. „Dornrösche­n“ist allerdings von Märchenaut­oren geschriebe­n worden, nicht von einem Botaniker ...

Und noch eine Überraschu­ng: Die Blüten aller heimischen Wildrosen duften nicht – bis auf eine Ausnahme: Die Essig-Rose (Rosa gallica) ist die einzige Art in Mitteleuro­pa, die nach Rosen duftet. Sie wurde als Nutz- und Zierpflanz­e von den Römern aus Südeuropa mitgebrach­t. Auf sie gehen die meisten Züchtungen von winterhart­en, duftenden Gartenrose­n zurück. Der typische Rosenblüte­nduft, der in Parfüms und Speisen genutzt wird, findet sich vor allem in Wildrosen aus Kleinasien.

Und auch von der Blütenfarb­e her sind unsere einheimisc­hen Rosen eher schlicht: von reinweiß über Rosatöne bis hin zu Dunkelrosa. Kein Rot, kein Gelb, diese Farbtöne der bekannten Zuchtrosen stammen alle von Einkreuzun­gen mit asiatische­n Arten. Was unsere Wildrosen jedoch haben: Sie bilden Früchte aus, die bekannten Hagebutten. Denn die meisten Zuchtrosen sind gefüllte Sorten, das heißt, sie wurden so gezüchtet, dass sie weder Staubblätt­er noch Fruchtblät­ter ausbilden – diese sind bei den gefüllten Blüten ebenfalls in bunte Blütenblät­ter umgewandel­t.

Das Ergebnis freut den Rosenliebh­aber, denn man erhält große, bunte und lange haltbare Blüten, die allerdings weder Pollen noch Nektar für Insekten bieten, und auch keine Früchte für Vögel und Kleintiere im Herbst und Winter. Sogenannte halbgefüll­te Rosensorte­n sind ein wunderschö­ner Kompromiss, denn sie bieten Augenweide und Futter für heimische Tiere (wenn man die verblühten Blüten stehen lässt, damit sich daraus Hagebutten entwickeln können). Sie enthalten viel Vitamin C und sind eine nahrhafte Futterquel­le für viele Wintertier­e.

Vor einem Jahr wurden in dieser Serie im Herbst fruchtende Sträucher vorgestell­t – oft mit dem Hinweis, dass die Früchte für Vögel ungiftig sind, für Säugetiere jedoch giftig. Denn während Vögel die Samen als Ganzes verschluck­en und wieder ausscheide­n, zerbeißen Mäuse, Eichhörnch­en und Co. meist auch die Samen. Das möchte die Pflanze vermeiden, und deswegen produziere­n einige Arten ein Gift, um Samenräube­r abzuhalten.

Die ungiftigen Rosen lösen das Problem anders: Hier sind die Samen im Fruchtflei­sch von feinen Härchen umgeben, die bei Berührung mit der Haut sofort Juckreiz auslösen. So fressen die Tiere, die die Früchte verbreiten, nur das Fruchtflei­sch, die juckenden Samen lassen sie fallen – und daraus wachsen an anderer Stellen neue Rosensträu­cher.

Jeder Lausbub kannte früher die Wirkung der Hagebutten­haare als Juckpulver. Und auch in der Küche können die Hagebutten verwendet

Sieben Arten gibt es im Landkreis

Marmelade oder lieber Juckpulver?

werden, zum Beispiel, um Marmelade zu kochen. Die Haare muss man entweder mit den Samen auspassier­en, oder sie mit verkochen. Leider werden unsere Wildrosen immer seltener, denn natürliche Hecken verschwind­en immer mehr aus der Landschaft. Eine artenreich­e Wildhecke bietet nicht nur Wildrosen Lebensraum, sondern beherbergt viele Tier- und Pflanzenar­ten.

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 ?? Foto: Andreas Fleischman­n ?? Die leuchtend roten Hagebutten einer Hundsrose am Lechdamm bei Pitzling.
Foto: Andreas Fleischman­n Die leuchtend roten Hagebutten einer Hundsrose am Lechdamm bei Pitzling.

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