Landsberger Tagblatt

Bayern gehen die Hebammen aus

Gesundheit Die Versorgung von Müttern und Babys nach der Geburt wird immer schwierige­r. Warum eine gut gemeinte Vorgabe in den Kliniken die Situation noch weiter verschärft

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg In Bayern gibt es Probleme in der Betreuung von Frauen bei der Geburt und danach im Wochenbett. Offenbar verschärft der neue Versorgung­sschlüssel die Lage zusätzlich: Seit Anfang des Jahres soll eine Hebamme nur noch zwei schwangere Frauen gleichzeit­ig im Kreißsaal betreuen. Für die Kliniken bedeutet dies, dass mehr Hebammen für die Geburtshil­fe gebraucht werden. Doch das Personal ist knapp. Dies wird am Beispiel des Krankenhau­ses in Friedberg deutlich: Die Beleghebam­men der dortigen Gemeinscha­ftspraxis können keine Nachsorge mehr anbieten. Als Grund dafür nennen sie den neuen Versorgung­sschlüssel, der nur durch „deutlich erhöhten Arbeitsauf­wand, zeitlich und personell“umsetzbar sei.

Für Susanne Weyherter, stellvertr­etende Vorsitzend­e des Bayerische­n Hebammen Landesverb­andes, wurde mit den neuen Vorgaben der zweite vor dem ersten Schritt getan. Grundsätzl­ich findet sie den Versorgung­sschlüssel gut. Aller- seien die Leistungen der Hebammen reglementi­ert worden, ohne die Strukturen zu regeln. Hinzu kommt, dass die Geburtenza­hlen in Bayern stark steigen und sich die Liegedauer der Mütter in den Kliniken nach der Entbindung verkürzt.

Eine Hebamme für die Versorgung in der ersten Zeit zu Hause zu finden, wird vielerorts schwierige­r. Diesen Engpass bestätigt auch Tanja Holzmann. Die vierfache Mutter hat ihre Hebammenpr­axis in Augsburg. Die Versorgung­slücken in der Nachsorge, die die Hebammen im benachbart­en Friedberg aufreißen, könnten sie und ihre beiden Kolleginne­n nicht auffangen: „Wir arbeiten schon jetzt am absoluten Limit. 60-Stunden-Wochen sind bei uns die Regel.“

Mehr Nachsorget­ermine bewältigen auch die Beleghebam­men an der Frauenklin­ik Josefinum in Augsburg nicht. Das betont Susanne Keller. Sie leitet das Hebammen-Team dort. Den Schritt der Friedberge­r Kolleginne­n findet sie mutig. Auch sie sieht den 1:2-Versorgung­sschlüssel kritisch. „Es ist eine Solldings vorgabe, kein Muss. Das heißt, ich kann schon mehr Frauen betreuen, abrechnen mit der Kasse kann ich aber parallel nur noch zwei.“Für Keller ist das System seit langem unbefriedi­gend, „und zwar für die Frauen und uns Hebammen“. Niemand könne den gestiegene­n Versorgung­sbedarf der werdenden Mütter auffangen. „Es wird Zeit, dass die Frauen auf die Barrikaden gehen.“Zum Protest rufen auch die Hebammen am Friedberge­r Krankenhau­s auf. Sie raten Betroffene­n, sich bei der Regierung und den Krankenkas­sen zu beschweren. Bei den gesetzlich­en Kassen in Bayern liegen bislang nach Angaben der zuständige­n Arbeitsgem­einschaft allerdings keine Klagen vor.

Aichach-Friedbergs Landrat Klaus Metzger hofft nun auf das neue „Zukunftspr­ogramm Geburtshil­fe“der Staatsregi­erung. Er hat, wie sein Sprecher betont, sofort Fördergeld­er beantragt. Bekommen die Beleghebam­men an der Friedberge­r Klinik personelle Verstärkun­g, wollen sie auch wieder in die Nachsorge einsteigen, sagt Hebamme Christine Schack.

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