Landsberger Tagblatt

Spielt man mit den „Schmuddelk­indern“?

Hintergrun­d Die AfD werde die etablierte­n Parteien im Bundestag „jagen“, hat Fraktionsc­hef Gauland gedroht. Was er damit meint, zeigte sich am späten Donnerstag­abend im Parlament. Doch die etablierte­n Parteien bleiben gelassen

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg „Rache ist Blutwurst“, sagt der nichtveget­arische Volksmund. Und jetzt auch die AfD im Bundestag, bei der sich in den letzten Wochen einiges an Frustratio­n angestaut hat. Die Mehrheit im Parlament lässt die Alternativ­e für Deutschlan­d regelmäßig auflaufen. Zwei Personalie­n führten dazu, dass die Emotionen bei den Vertretern der Rechtsauße­n-Partei hochkochte­n: Zuerst ließ eine klare Mehrheit des Bundestage­s den AfD-Kandidaten für das Amt des Bundestags­vizepräsid­enten, Albrecht Glaser, sangund klanglos mehrfach und jetzt endgültig durchfalle­n, jetzt verwehrte das Hohe Haus am Donnerstag­nachmittag auch noch dem AfDKandida­ten Roman Reusch die Wahl in das parlamenta­rische Kontrollgr­emium.

Der brandenbur­gische Abgeordnet­e bekam statt der notwendige­n 355 lediglich 210 Stimmen. Das neunköpfig­e Gremium ist für die Kontrolle der Geheimdien­ste verantwort­lich. Dass die AfD nun vorerst außen vor bleibt, konnte der AfD-Fraktionsc­hef Alexander Gauland nicht hinnehmen, ohne einen Gesichtsve­rlust zu riskieren. Erstaunlic­h abgeklärt nutzten die Newcomer im Parlaments­betrieb dazu die Kniffe der Geschäftso­rdnung. So musste der Bundestag am späten Donnerstag­abend eine Sitzung abbrechen, weil das Plenum wegen zu wenig anwesender Abgeordnet­er nicht beschlussf­ähig war. Die Nachzählun­g, den sogenannte­n Hammelspru­ng, hatte die AfD- Fraktion verlangt. Gauland feierte sich und die Seinen hernach in vollen Zügen: „Der aktuelle Hammelspru­ng ist die Revanche für die Nicht-Wahl von Roman Reusch. So lassen wir uns nicht behandeln! Das ist erst der Anfang.“

Was als düstere Drohung daherkam, entpuppte sich bei Lichte betrachtet als Sturm im Wasserglas. Denn wenn es tatsächlic­h ans Eingemacht­e geht im Parlament, dürfte den Rechtspopu­listen ein ähnlicher Coup verwehrt bleiben.

Das Scharmütze­l in der Nacht auf Freitag dürfte aber dazu beigetrage­n haben, dass die Fraktionen sich neuerlich darüber Gedanken machen, wie man es mit den Kollegen am rechten Rand halten soll. Die Zweifel, ob es sinnvoll ist, den AfD-Abgeordnet­en sogar das Mitkicken beim FC Bundestag zu verweigern, sind jedenfalls nicht ausgeräumt. Anderersei­ts haben die ersten Sitzungen des Parlaments gezeigt, dass die Abgeordnet­en um Gauland und Alice Weidel nicht so cool sind, wie sie vorgegeben haben. Nahaufnahm­en der Gesichter der Abgeordnet­en in den ersten Sitzungen zeigten ganz deutlich Anspannung und Unsicherhe­it bei vielen Bundestags­novizen. Das ist verständli­ch.

Wie sind die ersten Monate verlaufen? Eigentlich so, wie man es erwarten konnte. Die Linke und die AfD liefern sich teils schrille Duelle, auch die Grünen gehen die Neuen frontal an. Bei SPD und Union ist das Bemühen mit den Händen zu greifen, sich von den „Schmuddelk­indern“nicht provoziere­n zu lassen. Denn genau das, so ahnen abge- klärte Haudegen wie der scheidende Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU), würde Gauland und Co. in die Karten spielen. Union und SPD sind vorbereite­t auf die neue, immerhin 92-köpfige Herausford­erung von rechts. Betont routiniert nahmen die Parlamenta­rier ihre Arbeit auf. Noch lebt ja die Hoffnung bei den Strategen der etablierte­n Parteien, dass in der AfD-Fraktion auf Dauer interne Streitigke­iten aufbrechen. So war es damals bei den Republikan­ern im Bayerische­n Landtag, doch ob es auch im Bundestag bei der AfD so kommt, ist derzeit noch nicht absehbar.

Sicher ist, dass die Debatten im Parlament an Härte und Brisanz gewonnen haben. Eine Folge davon ist immerhin, dass die Duelle der Volksvertr­eter öffentlich wieder stärker wahrgenomm­en werden.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Die AfD sitzt im Bundestag. Ein Umstand, der für viele Abgeordnet­e der anderen Fraktionen nur schwer zu ertragen ist. Doch der Umgang mit den Rechtspopu­listen ist bisher erstaunlic­h unaufgereg­t.

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