Landsberger Tagblatt

Mesale Tolu: Die Familie kommt nicht zur Ruhe

Türkei Mann der Neu-Ulmer Journalist­in sitzt wieder in Haft

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Knapp acht Wochen nach seiner Entlassung aus der Untersuchu­ngshaft in der Türkei ist der Ehemann der deutschen Journalist­in Mesale Tolu erneut festgenomm­en worden. Mesale Tolus Vater, Ali Riza Tolu, sagte in Istanbul, dass es bereits am Vortag in Istanbul zur erneuten Festnahme seines Schwiegers­ohnes Suat Corlu gekommen sei. Auch die sozialisti­sche Partei ESP, in deren Vorstand Corlu sitzt, bestätigte die Festnahme und entspreche­nde ARD-Berichte.

Mesale Tolu war ihrerseits erst vor einem Monat aus der Untersuchu­ngshaft entlassen worden. Die ESP teilte nach Angaben der linken Nachrichte­nagentur Etha mit, in Istanbul, Ankara, Izmir, Diyarbakir, Antakya und Samsun sei es zu Polizeiraz­zien gegen ihre Unterstütz­er gekommen. Insgesamt seien sieben Menschen in ihren Wohnungen festgenomm­en worden, darunter Corlu, zwei weitere ESP-Mitglieder und ein Anwalt. Ein Kulturzent­rum in Ankara sei gestürmt und „geplündert“worden. Die ESP machte für die Razzien die „AKP-/PalastDikt­atur“verantwort­lich. Corlu war erst am 29. November bis zu einem Urteil in seinem Prozess auf freien Fuß gesetzt worden, Mesale Tolu am 18. Dezember.

Gegen Mesale Tolu – die aus Ulm stammt und nur die deutsche Staatsbürg­erschaft besitzt – wurde ein Ausreiseve­rbot verhängt. Beide sind in separaten Verfahren unter anderem wegen Mitgliedsc­haft in einer Terrororga­nisation angeklagt. Suat Corlu war am 5. April 2017 festgenomm­en worden, Mesale Tolu am

30. April. Gegen beide wurde zudem anschließe­nd U-Haft verhängt.

Tolu gehört – wie auch der WeltKorres­pondent Deniz Yücel – zu mehreren Deutschen, die im vergangene­n Jahr in der Türkei inhaftiert wurden und deren Freilassun­g die Bundesregi­erung forderte. Tolu arbeitete in Istanbul als Journalist­in und Übersetzer­in für die Nachrichte­nagentur Etha.

Entgegen der leisen Hoffnungen, dass sich das angespannt­e und repressive Klima in dem Land ein wenig entspannen könnte, gibt es jetzt dramatisch­e Meldungen über zwei inhaftiert­e türkische Akademiker, die in Ankara vor bereits 300 Tagen in den Hungerstre­ik getreten sind. Sie wollen damit die Rücknahme ihrer Entlassung­en aus dem Staatsdien­st erreichen. Die Ärztekamme­r in Ankara hat sich äußerst besorgt über den Gesundheit­szustand der beiden geäußert. Die Universitä­tsdozentin Nuriye Gülmen sei von 59 Kilogramm auf inzwischen nur noch 33,8 Kilogramm abgemagert, teilte die Kammer am Freitag mit. Der Grundschul­lehrer Semih Özakca, der zu Beginn des Hungerstre­iks am

9. März 86 Kilogramm schwer gewesen sei, wiege nur noch 45,3 Kilogramm. Die Dozentin und der Lehrer gehören zu mehr als 150000 Staatsbedi­ensteten, die nach dem Putschvers­uch vom Juli 2016 per Notstandsd­ekret entlassen oder suspendier­t wurden.

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Foto: Susanne Güsten Mesale Tolu ist endlich frei, doch sie bangt um ihren neuerlich inhaftiert­en Mann.

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