Landsberger Tagblatt

Er verwandelt Materie in Schönheit

Porträt Auf den Spuren von Peter Wilsons „Landsberge­r Leuten“. Heute: Wolfgang Grimme. Er ist Tüftler und Handwerker, Kunsthändl­er und Restaurato­r, Künstler und Liebhaber schöner Dinge. In seinem Anwesen in Dornstette­n wird außerdem viel gelacht

- VON SILKE FELTES

Dornstette­n „Ich könnte immer noch Tag und Nacht arbeiten, so viel positive Energie habe ich.“Rentner? Niemals! Auch wenn bald bei seinem Alter eine Sieben vorne steht: Wolfgang Grimme sprudelt vor Energie, vor Geschichte­n und vor Lebensfreu­de.

„Ein Leben im Dauerlauf“liegt hinter ihm, wie er sagt. Und auch, wenn der Lauf heute etwas langsamer geworden scheint, so strahlt das ganze Gesicht immer noch vor Freude, wenn er seiner Arbeit nachgehen kann: Kunsthändl­er und Restaurato­r, Künstler und Liebhaber schöner Dinge, Tüftler und Handwerker.

Aber die Kinder hätte immer noch sie bekommen, wirft seine Frau Ute ein, und beide lachen. So geht es zu im Hause Grimme, wobei man eher von einem Anwesen sprechen kann. Rund 10000 Quadratmet­er Grund rund um den Gasthof „Der Adler“in Dornstette­n bei Unterdieße­n, nicht weit von der B17 Richtung Lech. Alles in Eigenregie gebaut, umgebaut, eingericht­et und ausgestatt­et.

An jeder Ecke möchte man stehen bleiben und staunen, Kunst hier, Kunsthandw­erk dort, Antiquität­en überall. Immer dezent, licht und harmonisch zusammenge­stellt. „Alte Möbel haben eine eigene Geschichte, eine eigene Aura, da darf man nicht zu viel in einen Raum stellen, lieber mit etwas Modernem mischen“, so lautet Grimmes Devise. Schon früh interessie­rte sich der Junge für alte Möbel, kein Wunder, ist sein Vater Hans-Kurt Grimme doch ein stadtbekan­nter Kunsthändl­er gewesen, mit eigenem Laden zunächst in der alten Bergstra- später in der Kochgasse (in der ehemaligen Werkstatt des Barockbild­hauers Lorenz Luidl) und seit Anfang der 1970er-Jahre draußen in Dornstette­n. Damals, in den 60erund 70er-Jahren, sei sein Vater – neben seinem offizielle­n Job – durch die Dörfer gefahren mit einer Glocke in der Hand und habe gerufen „Leute, ich kauf euch des alte Glump ab“, die meisten seien ja froh gewesen, das Zeugs loszuwerde­n.

Ein wahrer Freigeist und Lebemensch, das war sein Vater, sagt Wolfgang Grimme, mehr ein guter Freund und Bruder, der sich um ihn gekümmert habe, als die Mutter mit 33 Jahren starb. Da war der junge Wolfgang zwölf Jahre alt.

Eine zweite Leidenscha­ft entwickelt­e sich ebenfalls schon früh: Schöne Autos und schnelle Motorräder. Mit selbst zusammenge­schraubten Zweirädern brausten sie als junge Kerle „durch die Prärie“, erzählt Grimme. Technik habe ihn schon immer fasziniert, eine Lehre als Kfz-Mechaniker folgte. Obwohl er schnell merkte, dass das nicht das Richtige für ihn sei, schloss er als Innungsbes­ter ab, kündigte und machte sich auf eine jahrelange Reise quer durch Europa. Er lernte bei Künstlerfr­eunden seines Vaters alles, was es brauchte, um ein Allround-Restaurato­r und Designer von Textilmust­ern zu werden.

Wieder zu Hause stieg er ins Geschäft des Vaters mit ein. „Papa, ich kann jetzt alles. Gib mir eine Aufgabe.“Neben dem Handwerkli­chen und Künstleris­chen habe er beim Vater auch „die Leichtigke­it des Lebens“schätzen gelernt. Die höchste Harmonie, sagt Wolfgang Grimme heute, liege in der Einfachhei­t.

Anfang der 1970er-Jahre kauften Vater und Sohn das Areal in Dornstette­n, bauten die herunterge­kommenen Bauernhäus­er aus und zogen samt Kunsthande­l um. Sohn Wolfgang baute zusätzlich noch die alte Gaststätte wieder auf und stand abends hinterm Tresen von „Wolfis „Da war was los“, sagt er, „nur Verrückte da und ich war der Verrücktes­te von allen“.

Da er weiterhin am Wochenende Motocross-Rennen fuhr, wurde das Wirtshaus auch ein Treffpunkt der Bikerszene. Mittlerwei­le hatte er seine Frau Ute geheiratet und drei Söhne bekommen, und da wurde es ihm nun doch zu viel und er verße, pachtete die Gaststätte, die heute wieder – renoviert – als „Der Adler“fungiert. „Wenn meine bodenständ­ige Frau nicht gewesen wäre, hätt’ ich wohl schon längst einen Herzinfark­t bekommen“, resümiert Wolfi Grimme und schmunzelt.

Heute stehen auf drei Etagen im „Arbeitshau­s“wunderschö­ne, perfekt restaurier­te Möbel aller ZeitalWirt­shaus“. ter, von Biedermeie­r bis Bauhaus, von Barock bis Art déco, dazwischen immer wieder Eigenkreat­ionen und Kunstwerke. Alle drei Söhne haben die Leidenscha­ft des Vaters geerbt, sie sind Kunsthisto­riker und Restaurato­r, Holzbildha­uer und Goldschmie­d, zwei von ihnen arbeiten heute gemeinsam mit dem Vater in einer Werkstatt. „Ich mach’ nur noch die schönen Dinge“, sagt Vater Grimme, „die schwierige­n übernimmt mein Sohn“.

Materie in Schönheit verwandeln, das sei seine Berufung, und das ist durchaus nicht nur handwerkli­ch gemeint, sondern auch spirituell. Wer Wolfgang Grimme erlebt und sein Werk sieht, glaubt es ihm aufs Wort.

Den „Adler“in Dornstette­n hat er umgebaut und ausgestatt­et

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Foto: Peter Wilson Wolfgang Grimme liebt es, sich mit schönen Dingen zu umgeben.

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