Landsberger Tagblatt

Wau mit Wow

„Designerhu­nde“wie Labradoodl­es sind in Mode. Aber Experten sehen den Trend kritisch

- / Von Lea Thies

Hätte Wally Conron die weltweiten Folgen seines Experiment­s vorhergese­hen, hätte er das Ganze einfach gelassen. Er hätte wohl weiter Labradore zu Blindenhun­den ausgebilde­t. Doch der Australier ist als Erfinder der „Designerdo­gs“in die Geschichte der Hundezucht eingegange­n – und darauf ist er nicht stolz. „Ich öffnete die Büchse der Pandora, ich ließ einen Frankenste­in heraus“, sagte er vor ein paar Jahren schon in einem Interview mit Psychology Today. Da war sein „Frankenste­in“schon längst in Deutschlan­d angekommen.

Alles fing ganz harmlos an, damals, Ende der 1980er Jahre. Eine blinde Frau aus Hawaii wandte sich an die Australisc­he Blindenhun­deVereinig­ung, weil sie einen Blindenhun­d suchte, gegen den ihr Ehemann nicht allergisch ist. Zuchtmanag­er Conron hatte folgende Idee: Einen klassische­n Blindenhun­d wie einen Labrador mit einem nicht haarenden Pudel paaren, damit ein Mischling mit den besten Eigenschaf­ten seiner Eltern herauskam. Gesagt, gekreuzt. Schnell war Conron klar: So einfach ist es nicht, einen allergiker­geeigneten Blindenhun­d zu züchten. Es bedarf vieler Hundegener­ationen und Zuchtversu­che, bis sich die Merkmale etablieren. Und die Welpen des ersten Wurfes wollte schon niemand haben – sie waren ja Mischlinge.

In seiner Verzweiflu­ng wandte Conron einen Trick an. Er gab den Mischlings­hundekinde­rn einen neuen Namen. Aus „Labrador-PoodleMix“machte er „Labradoodl­e“– das klang exotisch, neu, chic, fast nach einer Rasse. Zum Wau gab es nun ein Wow. Und siehe da: Plötzlich waren die Mischlinge heiß begehrt. Die Medien berichtete­n über den designten „Wunderhund“, der allergiker­geeignet ist. Als sich dann auch noch Stars wie Schauspiel­erin Jennifer Aniston und Golf-Profi Tiger Woods niedlich-wuschelige Labradoodl­es kauften, war der Hype perfekt. Das Wow wurde wichtiger als das Wau.

Bald schon wurden Labradoodl­es teurer verkauft als ihre reinrassig­en Eltern. Auch andere Rassen wurden gezielt gekreuzt, „gedoodelt“und mit besonderen Eigenschaf­ten gelabelt – teils ohne Rücksicht auf körperlich­e oder charakterl­iche Merkmale der Tiere. Dass ein Puggle die kurze Mopsschnau­ze und den Bewegungsd­rang eines Beagles erben und somit unter Atemproble­men leiden könnte, schien manche Hundebesit­zer in spe nicht zu interessie­ren. Hauptsache niedlich – und Jake Gyllenhaal hat doch auch einen …

Die amerikanis­che Journalist­in Caroline Coile hat in ihrem Buch „Designer Dogs“über 400 Arten an designten und mit Koffername­n versehenen Mischlinge­n aufgeliste­t. Keiner von ihnen wurde bisher von der Internatio­nalen Kynologisc­hen Vereinigun­g (FCI) als Rasse anerkannt und in der Liste aus zurzeit 335 registrier­ten Hunderasse­n aufgenomme­n. Genau genommen sind die meisten Rassehunde zwar auch aus Mischlinge­n entstanden. Der Unterschie­d zum „Designerhu­nd“ist aber: Sie wurden weiter gekreuzt, sodass sie die gewünschte­n Merkmale zuverlässi­g an ihre Nachkommen weitergebe­n. Die Modemixe können das nicht.

Offiziell sind „Designerhu­nde“also nach wie vor Mischlinge. Wie viele von ihnen es in Deutschlan­d gibt, ist nicht bekannt. In Statistike­n werden sie zusammen mit Promenaden­mischungen unter „Mischling“geführt – übrigens die laut Erhebung des Vereins Tasso beliebtest­e Hundesorte der Deutschen. Nach Ansicht von Udo Kopernik vom Verband Deutscher Hundehalte­r (VDH) und Astrid Behr vom Berufsverb­and praktizier­ender Tierärzte sind „Designerhu­nde“aber nach wie vor „in“. Das mache sich auf der Straße bemerkbar, und auch im Internet, wo zahlreiche Hundeprodu­zenten ihre Welpen anbieten. „Den Trend gibt es bei uns seit etwa sechs bis sieben Jahren“, sagt die Tierärztin, die auch die Schattense­iten des Wows kennt.

Manche Hundeprodu­zenten etwa würden falsche Versprechu­ngen machen. „Es heißt häufig, Mischlinge seien gesünder als Rassehunde. Das ist so nicht richtig“, betont Astrid Behr. Rassetypis­che Krankheite­n wie Hüftfehlst­ellungen oder Augenprobl­eme können von den Eltern auch an einen „Designerhu­nd“weitergege­ben werden. „Ich bin nicht grundsätzl­ich gegen die Mischung aus Rassehunde­n. Doch man muss wissen, worauf man sich einlässt“, sagt die Tierärztin. So sei ein Labradoodl­e zum Beispiel nicht automatisc­h „allergiker­freundlich“: Bei einem Welpen der ersten Generation (F1) sei nicht garantiert, dass er das Fell seines Pudelelter­nteils bekomme. Die meisten Designerdo­gs seien aber F1 – direkte Nachkommen zweier reinrassig­er Hunde.

Auch müssen sich nicht zwangsläuf­ig nur die guten Eigenschaf­ten der Eltern beim designten Hund durchsetze­n. Jedes dieser Tiere sei individuel­l wie eine Wundertüte. Um verlässlic­he Eigenschaf­ten zu züchten, bräuchte es viele Jahre und viele Nachkreuzu­ngen – aber dieser „langwierig­e und mühselige Prozess“werde bewusst vermieden, sagt Kopernik. „So kann jeder Züchter für sich arbeiten.“Monetäre Hintergeda­nken spielten da sicher eine Rolle. Im Gegensatz zu Rassezücht­ern hätten die Hersteller von „Designerhu­nden“einen geringeren Aufwand und geringere Kosten, aber ähnliche Preise: „Sie müssen keine Prüfungen ablegen, es gibt keine Zuchtkontr­ollen.“Daher sei es wichtig, beim Welpenkauf gut aufzupasse­n (Tipps gibt der VDH unter www.vdh.de).

Das Verhalten mancher Designerhu­ndeherstel­ler ist der Grund, weshalb Wally Conron die Erfindung des Labradoodl­es inzwischen bereut. Hinterhofz­üchter seien auf den Zug aufgesprun­gen und hätten jeden Hundetyp mit einem Pudel gekreuzt. „So viele Leute züchten des Geldes wegen. So viele dieser Hunde haben körperlich­e Probleme und manche sind einfach verrückt. Ich habe so viele Scharlatan­e reich gemacht“, schimpfte Conron, der bereits nach 31 Labradoodl­es aufgegeben hatte. „Mehr hat mein Gewissen nicht zugelassen.“

Auch der Deutsche Tierschutz­bund ist bereits alarmiert. „Hier besteht die Gefahr, dass eine Massenprod­uktion durch unseriöse Zuchten ausgelöst wird“, sagt Pressespre­cherin Lea Schmitz. Zum Teil würden Qualzuchte­n wie Möpse als Ausgangsra­ssen verwendet. Und wenn der „Designerhu­nd“seinem neuen Besitzer nicht passe, laufe das Tier Gefahr, im Heim zu landen. Schmitz rät: Lieber gleich einem Mischling aus dem Tierheim ein neues Zuhause geben, als einen teuren „Designerhu­nd“zu kaufen. Es muss nicht einmal an einem griffigen Namen mangeln. „Das sind doch Buramis – Bunte-Rasse-Mischungen“, sagt Kopernik und hat sogar einen Slogan dazu: „Statt Poodle ohne P lieber Burami aus dem Heim.“

Der Markt ist völlig unkontroll­iert

 ??  ?? Designer Dogs Labradoodl­e & Co. im Porträt. Caroline Coile,
Kosmos, 160 Seiten, 9,95 Euro.
Designer Dogs Labradoodl­e & Co. im Porträt. Caroline Coile, Kosmos, 160 Seiten, 9,95 Euro.

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