Das Ende der größten Briefmarkensammlung aller Zeiten
Der Erste Weltkrieg
Das Ende blieb ihm erspart. Wäre Louis Philippe de Ferrari nicht schon vorher gestorben, es hätte ihm wohl das Herz gebrochen, mitansehen zu müssen, wie sein Lebenswerk von eifrigen Staatsdienern gefleddert und mutwillig vernichtet wird. Die größte und wertvollste Briefmarkensammlung der Welt, zusammengetragen in Jahrzehnten, auseinandergerissen und verscherbelt in 14 Auktionen von 1921 bis 1925 – nur des schnöden Mammons wegen.
Geld interessierte Louis Philippe nie besonders, davon hatte er, als einer der reichsten Männer seiner Zeit, im Überfluss. Der ihm so verhasste französische Staat aber wird die rund 30 Millionen Francs, die er mit der Sammlung erlösen wird, als Teil der fälligen Reparationen nach dem Krieg ansehen. Denn Louis Philippe nahm als Erwachsener die österreichische Staatsbürgerschaft an. Heute, am 21. Januar 1918, ist das Ende der Geschichte noch nicht absehbar. Bekannt ist jetzt aber, dass der am 20. Mai 1917 im Lausanner Exil verstorbene Philatelist und Philantrop seine kleinen Schätze dem Reichspostmuseum in Berlin vermachte. Doch ins Feindesland lassen die Franzosen die Sammlung natürlich nicht. So geht der Krieg geht erst einmal weiter – und die Marken sind Kriegsgefangene, eingeschlossen im prächtigen einstigen Stadtpalais der de Ferraris. Das Anwesen dient nun als Botschaft Österreich-Ungarns, nach dem Krieg wird sich der französische Staat auch dieses Filetstück einverleiben. Viel später wird es als Hôtel Matignon Dienstsitz des Premierministers … Man sieht: Im Leben des Louis Philipp Ferrari war alles reichlich kompliziert.
Geboren 1850 in Paris als Sohn einer schwerreichen adligen Genueser Adelsfamilie, entflammte seine Leidenschaft für Briefmarken bereits in der Jugend. Wenn er kreuz und quer durch Europa reisen und seinen unscheinbaren Schätzen nachjagen konnte, war er glücklich. Aber sonst? Seine Homosexualität musste er verbergen, sich immer selbst verleugnen. Und ob der Herzog Raffaele de Ferrari tatsächlich der Vater des als etwas scheu und exzentrisch geltenden Louis Philippe war, ist zumindest umstritten. Infrage käme auch ein österreichischer Offizier, Emanuel La Renotière, der auf einem Feldzug in der Lombardei 1848/49 in einem der Güter der Ferraris einquartiert war. Von ihm ließ sich Louis Philippe 1886 auch adoptieren – und wurde so Österreicher. Und mit dem Krieg zum Feind Frankreichs.