Minus sechs Monate
Es ist wahrscheinlich gut, wenn man mit dem Geschäft der Renten- und Lebensversicherungen wenig in Berührung kommt. Denn es geht in dieser Branche am Ende in allen Berechnungen und Tarifmodellen immer nur um eine Frage: Wie lange noch? Wichtigste Bezugsgröße ist die Lebenserwartung. Lebenserwartung – das klingt schön positiv. Gemeint ist aber, wann voraussichtlich der Tod eintritt. Das ist zwar eine individuelle Geschichte – aber natürlich gibt es statistisch erwartbare Wahrscheinlichkeiten. Dazu wird mit sogenannten Sterbetafeln operiert. Versicherungsmathematiker kalkulieren an ihren Achtstundentagen mit dem Tod anderer. Solche Wetten sind ihr Job. Und wenn der Tod, betrachtet man eine große Gruppe Versicherter, sich nicht an Rechenmodelle hält, hat das gravierende Auswirkungen. So ist zum Beispiel in Großbritannien entgegen dem jahrzehntelangen Trend nun erstmals die Lebenserwartung heute 65-jähriger Männer um ein halbes Jahr gesunken. Es ist nicht pietätlos, sondern eine Tatsache, dass diese Korrektur nach unten für die britischen Pensionseinrichtungen und Unternehmen (Betriebsrenten!) bares Geld wert ist. Etwa 60 Milliarden Pfund sind es nach Spezialistenberechnungen. Immerhin: Umgekehrt, bei TodVerspätung, würde es 60 Milliarden teurer als kalkuliert.
Auch bei uns in Deutschland, wo steigende Lebenserwartung eine Einbahnstraße zu sein schien, flacht die Kurve ab. Ja: Es gibt Experten, die auch hier bei der Restlebenserwartung von heute 65-Jährigen den Daumen senken. Minus sechs Monate. Für junge Sparfüchse mag das eine gute Nachricht sein, weil Versicherungen günstiger werden, wenn die Trendumkehr zum kürzeren Leben sich verstetigen sollte. Aber eigentlich bleibt alles beim Alten: Leben ist eine Gleichung mit einer großen Unbekannten, dem Tod.