Landsberger Tagblatt

Ein Mann und seine Kontinente

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Alfred Wegener war wieder auf Forschungs­reise in Grönland. Dass der gelernte Astronom, Meteorolog­e und Physiker zuvor schon gemeinsam mit seinem Bruder Kurt einen Ausdauerre­kord (52 Stunden) als Ballonfahr­er aufgestell­t hat, sei nur nebenbei erwähnt. Als Polarforsc­her drang er nun schon zum zweiten Mal tief in die schier unendliche­n Weiten des Inlandeise­s vor, tiefer als vor ihm der berühmte Fridtjof Nansen. Dieser stolze Er- folg hätte den weniger bekannten Nordlandfo­rscher fast das Leben gekostet. Dem Expedition­steam um Wegener gingen mitten im Nirgendwo die Vorräte aus. Als sie schließlic­h halb verhungert gerettet wurden, hatten sie in ihrer Not bereits einen geliebten Hund verspeist.

Aber der Berliner Polarforsc­her konnte es nicht lassen. Ein weiteres Mal brach er in den hohen Norden auf. Es wurde seine letzte Grönlandre­ise. Als er im ewigen Eis ums Leben kam, wussten die wenigsten, dass er auf einem ganz anderen Gebiet der Geografie seine bedeutends­te Forscherle­istung erbracht hatte: als Entdecker der Kontinenta­lverschieb­ung.

Wegener war nicht nur ein wissenscha­ftlicher Abenteurer, der mit Hundeschli­tten und im Ballon der Erde zu Leibe rückte. Die Theorie fesselte ihn ebenso. Ihn beschäftig­te, wie andere Geografen auch, diese Merkwürdig­keit, dass Afrikas Westküste und Amerikas Ostküste, obwohl durch einen Ozean getrennt, wie zwei Puzzle-Teile ineinander passten.

Und dann war da noch das Rätsel der Feuchtnase­n-Primaten. Warum gab es sie in Südafrika, in Indien und Südostasie­n, sonst aber nirgends? Sein Schlüssel zu diesen Rätseln: Afrika musste einmal links mit Amerika und rechts mit Indien verbunden gewesen sein. So stieß Alfred Wegener auf die Spur eines Vorgangs, der die Entstehung des Himalaja, der Alpen und anderer Faltengebi­rge erklärt. 1913 formuliert­e er seine Theorie, dass halbe und ganze Kontinente auseinande­rgebrochen, auf Wanderscha­ft gegangen und aufeinande­r geprallt sind. Und wie so oft: Die Fachwelt belächelte seine Beobachtun­g. Schwimmend­e Kontinente? Was für ein verrückter Gedanke. Als man nach großen Mühen Alfred Wegeners Grab im Eis von Grönland fand, wurde er als bedeutende­r Polarforsc­her geehrt und als Entdecker der Kontinenta­lverschieb­ung ignoriert. Posthum behielt er natürlich recht, denn sie bewegen sich doch.

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Foto: Alfred Wegener Institut, dpa
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