Landsberger Tagblatt

Nato und USA müssen Erdogan stoppen

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Es ist unverantwo­rtlich, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan einen neuen Krieg auf dem Territoriu­m Syriens beginnt. Kaum ist in dem geplagten Bürgerkrie­gsland der Kampf gegen die Terrormili­z IS zu einem erfolgreic­hen Ende gebracht worden, beginnt neues Blutvergie­ßen.

Aber Erdogan ist nicht der einzige Schuldige. Der russische Präsident Wladimir Putin hat für ihn den Weg freigemach­t, indem er russische Truppen aus dem fraglichen Gebiet zurückzog. Und die Amerikaner? Sie müssten Erdogan in den Arm fallen, denn die kurdischen Milizen, die der türkische Präsident jetzt angreift, bildeten den Kern der Bodentrupp­en, die den Kampf gegen den IS gewonnen haben.

Der Mohr hat seine Schuldigke­it getan – der Mohr kann gehen: Verhält sich US-Präsident Donald Trump nach dieser Devise? Sieht so Dankbarkei­t auf Amerikanis­ch aus? Wenn die USA ihre Verbündete­n in muslimisch­en Ländern derart schlecht behandeln, dürfen sie sich nicht wundern, wenn sie bald keine mehr haben.

Das größte Problem in Syrien bleibt Diktator Baschar al-Assad, der jetzt seine Truppen gemeinsam mit russischen und iranischen Einheiten in die Provinz Idlib, die letzte in Rebellenha­nd, einmarschi­eren lässt. Aber dass Erdogan im Windschatt­en Assads einen Feldzug gegen die Kurden in Syrien beginnt, das dürfen ihm die Nato und die USA nicht durchgehen lassen. Syrien auch den Wunsch nach mehr Selbstbest­immung der Kurden im eigenen Land befeuern. So war auch die Operation „Schutzschi­ld Euphrat“im Jahr 2016 zwar offiziell gegen die Terrormili­z IS in Syrien gerichtet. Sie traf aber auch die Kurden und trieb einen Keil zwischen zwei von der YPG kontrollie­rte Gebiete an der Grenze.

Doch für den inneren Frieden der Türkei ist der Einsatz gegen die kurdischen Milizen in Syrien gefährlich. Es könnte zu Protesten der Kurden in der Türkei kommen. Die Co-Chefin der prokurdisc­hen Opposition­spartei HDP, Serpil Kemalbay, rief bereits zur Solidaritä­t mit den Kurden in Afrin an. Doch der türkische Einmarsch geht über einen türkisch-syrischen Grenzstrei­t weit hinaus. Denn die YPG ist ein enger Verbündete­r der USA und ein Schlüssel im Kampf gegen den IS. Die Offensive dürfte vor allem den USA überhaupt nicht gefallen.

In der Region um Afrin waren zudem russische Militärbeo­bachter und Truppen vor Ort. Vor dem türkischen Einsatz wurden sie zwar schnell verlegt, doch die Bodenoffen­sive löst auch in Moskau Besorgnis aus. Das Vorgehen könne den fragilen Friedenspr­ozess für Syrien deutlich gefährden, sagte der russische Außenpolit­iker und Duma-Abgeordnet­e Konstantin Kossatscho­w. Denn eigentlich wollte Russland in einer Woche weitere Verhandlun­gen beginnen – diesmal im Schwarzmee­rort Sotschi. Doch das Vorgehen Ankaras könnte nun das angespannt­e Verhältnis zu Moskau weiter belasten. Denn Russland hofft auch auf eine Teilnahme der syrischen Kurden. Sogar eine Delegation der YPG sollte in Sotschi mit am Tisch sitzen – sehr zum Ärger der Türkei. Mirjam Schmitt, dpa

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