Landsberger Tagblatt

Elektrifiz­ierung der Bahn: Bayern fährt hinterher

Kabinett Staatsregi­erung fordert mehr Geld vom Bund. Politikern in der Region geht das nicht weit genug. Die IHK sieht Gefahren für den Tourismus rund um Oberstdorf

- VON ULI BACHMEIER

München/Augsburg Nach Jahrzehnte­n des Stillstand­s soll bei der Elektrifiz­ierung der Bahnstreck­en in Schwaben und andernorts in Bayern nun wieder etwas vorangehen. Die Bauarbeite­n auf der Strecke München-Buchloe-Memmingen-Lindau sollen in Kürze beginnen und bis Ende 2020 abgeschlos­sen sein. Darüber hinaus drängt die Staatsregi­erung beim Bund darauf, unter anderem die Strecke von Ulm über Memmingen nach Kempten zu elektrifiz­ieren. Politikern in der Region und der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben geht das längst nicht weit genug. Sie fordern eine Elektrifiz­ierung von Ulm bis Oberstdorf sowie auf der Strecke Augsburg-Buchloe.

Dass es mit der Elektrifiz­ierung des Schienenve­rkehrs im Freistaat nicht zum Besten steht, räumte Verkehrsmi­nister Joachim Herrmann (CSU) gestern nach der Kabinettss­itzung offen ein. Noch vor 100 Jahren sei Bayern „Spitze“gewesen. Aktuell aber seien nur 49 Prozent der insgesamt 6700 Streckenki­lometer unter Strom. Damit liege der Freistaat sogar unter dem Bundesdurc­hschnitt. „Die Bahn hat hier offenbar Bayern vernachläs­sigt“, sagte Herrmann. Deshalb fordere die Staatsregi­erung vom Bund, nun ein „Extra-Programm“aufzulegen.

Unter den sieben Projekten, die in Bayern vorrangig angegangen und vom Bund finanziert werden sollen, sind zwei in unserer Region: Die Strecke von Neu-Ulm nach Kempten inklusive der Stichstrec­ke von Senden nach Weißenhorn (94 Kilometer) sowie die Strecke von Kaufering nach Landsberg (fünf Kilometer). Außerdem will die Staatsregi­erung mit eigenen Mitteln auf der Strecke von Augsburg nach Füssen eines von mehreren Pilotproje­kten mit innovative­r Antriebste­chnik auf die Schiene setzen.

In der Region werden die Initiative­n der Staatsregi­erung zwar grundsätzl­ich begrüßt. Dennoch gibt es jede Menge Kritik.

Nach Ansicht von Peter Saalfrank, Hauptgesch­äftsführer der IHK Schwaben, hätte auch die Strecke Augsburg-Buchloe „unbedingt“in das Elektrifiz­ierungspro­gramm gehört. „So könnten Züge elektrisch nicht nur von München, sondern auch von Augsburg aus nach Memmingen und zum Bodensee fahren“, sagt Saalfrank. Mit der Strecke Ulm-Kempten bleibe die Initiative „auf halbem Weg stehen“. Zum einen löse die Elektrifiz­ierung nicht das „enorme Kapazitäts­problem südlich von Ulm“. Dort wäre ein zweites Gleis wichtiger als eine Oberleitun­g. Zum anderen sei mittelbis langfristi­g eine Elektrifiz­ierung bis nach Oberstdorf erforderli­ch, um den Fernverkeh­rsanschlus­s für diese Tourismusr­egion sicherzust­ellen. Sobald die Bahn die Intercity-Züge, die jetzt mit Dieselloks nach Oberstdorf fahren, auf elektrisch­e Triebzüge umstellt, drohe Oberstdorf gegenüber anderen Tourismusr­egionen in den Alpen ins Hintertref­fen zu geraten.

Ins gleiche Horn stoßen die Augsburger CSU-Bundestags­abgeordnet­en Volker Ulrich und Hansjörg Durz, sowie der Augsburger SPDLandtag­sabgeordne­te Harald Güller. Alle drei fordern mit Nachdruck, die Strecke von Augsburg nach Buchloe ins Elektrifiz­ierungspro­gramm aufzunehme­n. Güller geht den Minister frontal an: „Nach zig Jahren des Stillstand­s besteht Herrmanns wegweisend­e Aktivität gegenüber dem Bund darin, prioritäre Strecken zu benennen. Da bin ich echt beeindruck­t. Ein Bummelzug fährt im Vergleich dazu mit Lichtgesch­windigkeit!“

Der Verkehrsex­perte der Grünen im Landtag, Markus Ganserer, fordert die Staatsregi­erung dazu auf, ein eigenes Finanzieru­ngsprogram­m aufzulegen. Bisher komme „die großspurig­e Ankündigun­gspolitik in Wahrheit auf einer Schmalspur­bahn daher.“Herrmann wies die Forderung nach zusätzlich­en Projekten zurück. Auf Nachfrage unserer Zeitung sagte er: „Wir müssen vernünftig­er Weise Prioritäte­n setzen.“

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Foto: Ralf Lienert In Bayern sollen mehr Bahnstreck­en elektrifiz­iert werden.

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