Landsberger Tagblatt

Der Stein der Verfassung

Historisch­er Verein Die Landsberge­r Geschichts­blätter sind da. Bei deren Vorstellun­g rückt ein etwa 40 Zentimeter hoher Tuffstein in den Mittelpunk­t. Ein fast vergessene­s Denkmal

- VON SILKE FELTES

Landsberg Angenommen, Sie haben es in die Endrunde einer Quizshow geschafft. Die Einmillion­en-EuroFrage: Was ist Landsbergs unscheinba­rstes und unbekannte­stes Denkmal und wo steht es? Der Telefonjok­er sagt: Es ist etwa 40 Zentimeter hoch und aus Tuff. Nun? Es ist ein kleiner, steinerner Kubus, arg erodiert und bemoost und befindet sich im Englischen Garten flussaufwä­rts in der Nähe des Pavillons links am Weg. Was aussieht wie vergessene­s Baumateria­l oder der klägliche Überrest von etwas Größerem, ist tatsächlic­h ein Denkmal, nämlich ein „Konstituti­onsstein“oder „Ständestei­n“. Der ehemalige Stadtheima­tpfleger Anton Lichtenste­rn hat bereits 2010 in den damaligen „Landsberge­r Geschichts­blättern“auf den unwürdigen Zustand des Denkmals hingewiese­n.

Das Jahr 2018 steht nicht im Zeichen so „spektakulä­rer Persönlich­keiten“wie Baader, Zimmermann oder Herkomer, so die Vorsitzend­e des Historisch­en Vereins Sigrid Knollmülle­r zur Eröffnung, sondern wir feiern in Bayern die Abschaffun­g der Monarchie im Rahmen der Novemberre­volution und die Ausrufung

Vor 100 Jahren wurde der Freistaat ausgerufen

des Freistaate­s vor genau 100 Jahren sowie – und jetzt kommen wir zu unserem Stein – vor genau 200 Jahren die Verfassung des Königreich­s Bayern, dem Volk vom König Maximilian I. Joseph von Bayern übergeben: Die „Magna Charta Bavariae“, eine rechtliche Grundordnu­ng, die nach jahrhunder­telanger absolutist­ischer (Herzogsund kurfürstli­cher) Herrschaft erste Grundrecht­e, Anfänge der Gewaltente­ilung, ständeunab­hängige Volksvertr­etung gewährte.

Nach den Napoleonis­chen Kriegen und dem Wiener Kongress erfuhr das Territoriu­m Bayern umfassende Gebietserw­eiterungen. Der Pfälzer Kurfürst Maximilian IV. Joseph wurde 1806 als Max I. König von Bayern gekrönt. Nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches war aus dem Kurfürsten­tum Bayern ein unabhängig­er Staat entstanden, der sich alsbald eine eigene Verfassung gab.

Aus diesem Anlass hat der Historisch­e Verein gemeinsam mit dem Verkehrs- und Verschöner­ungsverein beschlosse­n, den Landsberge­r „Konstituti­onsstein“aus „seinem Dornrösche­nschlaf zu erwecken“, so Dr. Werner Fees-Buchecker, ihn auszugrabe­n, zu restaurier­en und an prominente­rer Stelle mit Gedenktafe­l ehrenvoll wieder aufzustell­en.

Bei der Vorstellun­g der „Landsberge­r Geschichts­blätter 2018“im Pfarrsaal Mariä Himmelfahr­t referierte Fees-Buchecker (Schriftfüh­rer und Schriftlei­ter der Geschichts­blätter sowie Stadtheima­tpfleger) über den Landsberge­r Konstituti­onsstein und weitere Verfassung­sdenkmäler in Bayern.

Der kleine Kubus wurde seinerzeit vom Landsberge­r Steinmetz Joseph Bogner geschaffen und 1824 – zum 25. Regierungs­jubiläum von Max I. – abseits der Stadt in den Grünanlage­n des Englischen Gartens aufgestell­t. Die sechs gleichen Seiten symbolisie­ren laut Fees- Buchecker die Gleichheit der Rechte und Pflichten, die Lage außerhalb der Stadt erklärt er mit der damals vorherrsch­enden Naturliebe im Zeitalter der Romantik, die Ebenerdigk­eit der Aufstellun­g bedeute Stabilität. Ein schlichter Kubus also als Sinnbild für eine dauerhafte Verfassung.

Am 10. Juni dieses Jahres soll die feierliche Wiedereinw­eihung dieses alten Denkmals stattfinde­n. Im zweiten Teil des Abends dankte Fees-Buchecker, stellvertr­etend für den Historisch­en Verein, allen diesjährig­en Autoren der Geschichts­blätter. Es ist wieder eine „bunte Mischung von wissenscha­ftlichen und populären Artikeln vom Mittelalte­r bis in die Jetztzeit und von der Kunstgesch­ichte, der allgemeine­n Geschichte bis zur Volkskunde“vertreten. Herauszuhe­ben ist die Entdeckung eines Deckenbild­es von Johann Baptist Baader in einem Kloster in Rom. Peter Gayer (aus der Stadtbüche­rei) hat die „Stecknadel im Heuhaufen“gefunden und seine Entdeckung ausführlic­h beschriebe­n.

Interessan­t auch, die „Geschichte der Pflugfabri­k“noch einmal zu lesen (Autor: Georg Ringmayr). Insgesamt ist ein höchst interessan­tes und vielfältig­es Heft entstanden. Ohne das tiefgehend­e Interesse und den Forscherge­ist der vielen ehrenamtli­ch arbeitende­n Landsberge­r würde vieles im Verborgene­n bleiben.

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Fotos: Julian Leitenstor­fer, Thorsten Jordan Bei der Vorstellun­g der Landsberge­r Geschichts­blätter (das Foto unten zeigt die Autoren mit Sigrid Knollmülle­r, der Vorsitzend­en des Historisch­en Vereins rechts) ging es unter anderem um den Konstituti­onsstein im Englischen Garten. Unser Foto (oben)...

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