Blitzschnelle Babys
Geburten Immer wieder kommen Kinder nicht in der Klinik, sondern auf dem Weg dorthin auf die Welt – wie vor kurzem im Raum Augsburg. Wie häufig das ist und welche Risiken es gibt
Immer wieder werden Kinder nicht im Kreißsaal geboren, sondern an ungewöhnlichen Orten, etwa in einem Hubschrauber. Wie oft so etwas vorkommt und welche Risiken das birgt, lesen Sie auf
Augsburg Angelin wird später eine besondere Geschichte erzählen können. Die Geschichte ihrer Geburt. Es ist etwa Mittag, als ihre Mutter Wehen bekommt. Um viertel nach zwei ruft ihr Vater den Notarzt. Und nur 45 Minuten später ist Angelin schon auf der Welt – allerdings wird sie nicht im Kreißsaal geboren, sondern auf der Fahrt dorthin, im Krankenwagen. Irgendwo zwischen Herbertshofen und Gersthofen im Landkreis Augsburg. Die Worte des Notarztes, schon wenige Minuten nach der Abfahrt, hat Mama Stephanie Neukam noch im Ohr: „Rechts ranfahren wegen Geburt!“
Ein paar Tage ist die Blitzgeburt nun her – und obwohl sie etwas wirklich Besonderes ist, ist sie keine Ausnahme. Immer wieder werden Babys an ungewöhnlichen Orten geboren: Mitte Januar etwa kam ein Bub auf der A7 in Unterfranken zur Welt. Die Mutter war mit ihrem Mann auf dem Weg ins Krankenhaus gewesen – doch auf der Fahrt wurden die Wehen so heftig, dass ihr Mann bei einer Baustelle auf dem rechten Fahrsteifen anhalten musste. Als der Krankenwagen
Kind wurde in einem Hubschrauber geboren
kam, war der kleine Leonard bereits geboren. Ähnlich eilig hatte es ein Mädchen im vergangenen Herbst in München. Sie kam – wie Angelin – in einem Krankenwagen zur Welt, nur wenige Meter vom Krankenhaus entfernt. Als der Rettungswagen in die Auffahrt zur Notaufnahme einbog, war es bereits zu spät, um die Frau in den Kreißsaal zu bringen.
Im Normalfall dauern Geburten deutlich länger, sagt Susanne Weyherter, zweite Vorsitzende des Bayerischen Hebammen Landesverbandes. „Beim ersten Kind sind es etwa zwölf Stunden“, sagt sie. „Beim zweiten dann sechs bis acht.“Weyherter sorgt sich, dass es künftig häufiger vorkommen könnte, dass es Frauen nicht mehr rechtzeitig in den Kreißsaal schaffen. Der Grund dafür: Es schließen immer mehr kleine Geburtenstationen. „Frauen müssen dann deutlich über 50 Kilometer fahren, bei Eis und Schnee. Da kann es dann schon mal eng werden.“
Zeitlich eng wurde es auch schon einmal in einem Hubschrauber. Der Rettungshelikopter aus Traunstein war auf dem Rückflug von einem Einsatz, als die Rettungsleitstelle in Salzburg einen Notarzt anforderte. Die Retter änderten den Flugplan und holten die Frau, bei der die Wehen eingesetzt hatten, ab. Doch ins Krankenhaus schafften sie es nicht mehr: Kurz nach dem Start setzte die Geburt ein. Die Piloten landeten auf einem Acker, wo dann ein kleines Mädchen geboren wurde.
In den allermeisten Fällen geht bei Blitzentbindungen alles gut. Trotzdem birgt eine Geburt außerhalb eines Krankenhauses gewisse Risiken. „Meist sind es zwar problemlose Geburten, aber die Nachblutungsgefahr halten wir für das größte Risiko“, sagt Hebamme Weyherter. Und: „Man darf den gewaltigen Stress dabei nicht unterschätzen.“
Ein Kind, das überraschend zu Hause oder im Rettungswagen geboren wird, könne die gleichen Probleme wie bei einer Geburt im Krankenhaus haben, sagt HansChristoph von Andrian, Oberarzt und Leiter der Kinder-Notaufnahme am Klinikum Augsburg. Aber: „Im Krankenhaus ist sofort ein ganzes Team zur Stelle, das dem Kind und der Mutter hilft.“Deswegen werde im Rettungsdienst und bei den Notärzten die Erstversorgung eines Neugeborenen in der Ausbildung geschult. Wichtig sei dabei die Unterstützung der einsetzenden Atmung des Babys, wenn es Schwierigkeiten haben sollte, selbst mit dieser zu beginnen. „Weiterhin sollte auf Warmhalten geachtet werden, da die Neugeborenen schnell auskühlen“, sagt von Andrian. Zur Unterstützung der Ersthelfer sollte bei Problemen der Neugeborenennotarzt gerufen werden.
Dass Babys nicht im Krankenhaus geboren werden, ist selten – auch wenn die Zahl der Hausgeburten nach Angaben des Hebammenverbandes leicht gestiegen ist: „Unser Neugeborenennotarzt wurde 2017 zu vier ungeplanten Hausgeburten gerufen“, sagt von Andrian. Da seien der Rettungsdienst beziehungsweise eine Hebamme schon vor Ort gewesen. Ein bis zwei Geburten ereigneten sich pro Jahr in einem Rettungswagen.
So wie die der kleinen Angelin. Die ist nach der ganzen Aufregung mittlerweile zu Hause bei ihrer Familie.