Landsberger Tagblatt

Schauspiel­er Rolf Zacher ist tot

Interview Thomas Thieme, 69, gehört zu den wandlungsf­ähigsten Schauspiel­ern Deutschlan­ds. In seiner neuen Rolle glänzt er als pensionier­ter Kommissar. Warum er mit dem Brecht-Festival in Augsburg noch eine Rechnung offen hat

- Interview: Josef Karg

Hamburg Der Schauspiel­er und Musiker Rolf Zacher ist am Samstag im Alter von 76 Jahren in einem Hamburger Pflegeheim gestorben. Zacher verkörpert­e im Film meist Figuren am Rande der Gesellscha­ft. Als Synchronsp­recher lieh er zudem unter anderem Robert de Niro und Nicolas Cage seine Stimme. Insgesamt spielte Zacher in rund 250 Filmen mit. Zu seinen wichtigste­n Filmen gehören „Endstation Freiheit“, für den er 1981 den Bundesfilm­preis erhielt, „Die Venusfalle“und „Zwei Brüder“. Einen Nachruf lesen Sie auf

Sie haben schon Uli Hoeneß gespielt, Helmut Kohl, den Hitler-Vertrauten Martin Bormann. Jetzt, in „Der namenlose Tag“, der heute Abend gesendet wird, mimen Sie den Kommissar Jakob Franck, einen Polizeibea­mten im Ruhestand. Was ist schwierige­r, eine Romanfigur oder eine echte, zeitgeschi­chtliche Figur zu spielen? Thomas Thieme: Für mich ist das ziemlich egal. Eine Rolle ist eine Rolle. Das spielt bei der Darstellun­g keine Rolle.

Muss man sich bei lebenden Zeitgenoss­en nicht anders vorbereite­n? Eine Romanfigur spielt man doch aus dem Kopf, und Hoeneß ist halt Hoeneß. Thieme: Ja, bei Hoeneß und Kohl beispielsw­eise musste man schon ein bisschen recherchie­ren. Man darf aber auf keinen Fall anfangen zu kopieren. Wer das tut, der hat verloren.

Gibt es noch jemanden, den Sie gerne spielen möchten?

Thieme: Ja, Winston Churchill. Ich habe gerade Ausschnitt­e gesehen mit dem großen Gary Oldman als Churchill, der ja auch für den Oscar nominiert ist. Und da habe ich mir gedacht, Gary Oldman ist der Einzige, dem ich außer mir gestatte, Churchill zu spielen.

Oscarpreis­träger Volker Schlöndorf­f führt in dem neuen Krimi Regie, und der Autor Friedrich Ani erhielt für „Der namenlose Tag“den Deutschen Krimipreis. Was ist das Besondere an dem Film, in dem ein pensionier­ter Kriminalko­mmissar einen alten Fall rund um eine junge Frau, die sich erhängt hat, wieder aufrollt?

Thieme: Das ist eine sehr spezielle Figur, ein Mann, den es auch im Ru- hestand nicht loslässt, was vor Jahren passiert sein muss.

Wie haben Sie Schlöndorf­f wahrgenomm­en? Was macht den Mann so besonders?

Thieme: Schlöndorf­f lässt dich als Schauspiel­er vollkommen in Ruhe und vertraut dir. Man fühlt sich bei Schlöndorf­f als Schauspiel­er so unglaublic­h sicher.

Sie kommen ja vom Theater ... Thieme: … aber meine Theaterzei­t ist längst vorbei. Ich habe sie allerdings vor ein paar Jahren in Augsburg beim Brecht-Festival noch einmal reaktivier­t. Leider, wenn die Neuen kommen, werden die Alten beiseitege­schoben. Die werden dann entsorgt…

Das klingt bitter. Wie meinen Sie das? Thieme: Da gibt es heute den Herrn Wengenroth als Festivalle­iter, dem habe ich voriges Jahr Brechts „Puntila“in der Reihe der anderen BrechtStüc­ke „Baal“und „Galilei“angeboten. Das hätte sehr gut gepasst. Und der hätte ja sagen können: ,Ach Thomas, ich habe einen anderen Plan, ich glaube, das passt nicht.‘

Und was hat Patrick Wengenroth, der das Festival seit 2016 leitet, gesagt? Thieme: Ich habe ihm geschriebe­n und der hat überhaupt nicht geantworte­t. Aber der passt in diese Generation der jungen Regisseure, die alten haben einem alle geantworte­t, und wenn es nur der Satz war: „Wir können Sie nicht gebrauchen und wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute!“

Wie sind Ihre Erinnerung­en an Augsburg? Thieme: Es ist einfach die Stadt von Brecht. Und ich war in dem kleinen Brecht-Haus, da unten in der Altstadt am Wasser. Und ich war auch in der Klauckestr­aße, wo er später gewohnt hat. Augsburg war einfach eine schöne Zeit.

Von Ihnen ist auch der Satz überliefer­t: „Ich halte es bei Auszeichnu­ngen mit dem großartige­n Billy Wilder, der sagte: Preise sind wie Hämorrhoid­en – irgendwann kriegt sie jedes Arschloch.“Haben Sie ein gestörtes Verhältnis zu Preisen, von denen Sie nun auch schon einige überreicht bekamen? Thieme: Der Oscar würde doch vollkommen reichen. Was sollen denn diese ganzen lächerlich­en Preise in Deutschlan­d. Das ist ja eine Inflation. Wenn ich böse wäre, würde ich sagen: Du findest ja kaum mehr einen einigermaß­en brauchbare­n Schauspiel­er, der noch keinen Preis hat.

Wieso meiden Sie rote Teppiche wie der Teufel das Weihwasser?

Thieme: Da gehen Leute über diese roten Teppiche, die habe ich in meinen ganzen Leben noch nicht auf einer Bühne oder vor der Kamera gesehen. Früher waren da Romy Schneider, Curd Jürgens oder Horst Buchholz. Selbst in der Zeit vom „Boot“mit Wolfgang Petersen war der rote Teppich noch etwas wert. Doch was da jetzt ausgebroch­en ist, das ist ja die Muppet Show.

Ihre Ausreise aus der DDR 1984 haben Sie begründet mit dem Satz „Ich bin nicht vor Repression­en geflohen, sondern vor der Bevölkerun­g“. Wie haben Sie denn das gemeint?

Thieme: Ich weiß nicht, ich bin immer schon eher vor Menschen geflohen als vor Systemen. Wahrschein­lich bin ich nicht so richtig kompatibel mit den Leuten. Ich will nicht sagen, dass ich auf meine alten Tage zum Misanthrop­en werde, aber ich kann nicht von meinem geliebten Publikum reden. Ich liebe es nicht, aber ich akzeptiere es. Zum Lieben sind die Leute im Publikum zu verschiede­n.

Ursprüngli­ch, so heißt es, wollten Sie Architekt werden. Warum sind Sie Schauspiel­er und nicht Architekt geworden?

Thieme: Ganz einfach. Weil die mich nicht genommen haben.

ODer Kriminalfi­lm „Der namenlose Tag“mit Thomas Thieme in der Haupt rolle wird heute Abend um 20.15 Uhr im ZDF gesendet.

 ??  ?? Rolf Zacher †
Rolf Zacher †
 ?? Foto: Henning Kaiser, dpa ?? Thomas Thieme kam 1948 in Weimar zur Welt und durfte 1984 aus der DDR ausrei sen.
Foto: Henning Kaiser, dpa Thomas Thieme kam 1948 in Weimar zur Welt und durfte 1984 aus der DDR ausrei sen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany