Landsberger Tagblatt

Lebensmitt­el landen im Müll

Vorstoß Eine Initiative setzt sich für ein EU-weites Verbot für Supermärkt­e ein, Nahrungspr­odukte zu vernichten. Ein Franzose macht Druck

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Paris Mehr als 80 Kilo Lebensmitt­el wirft jeder Deutsche pro Jahr in den Müll – ein Skandal, findet eine europaweit­e Initiative gegen die Verschwend­ung von Nahrungsmi­tteln, die im Internet rund eine Million Unterstütz­er gesammelt hat. Nun ruft sie Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und den französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron zum Handeln auf. Das Ziel: ein EU-weites Verbot für Supermärkt­e, Lebensmitt­el zu vernichten. In Frankreich gibt es das bereits, das Gesetz wird am Wochenende zwei Jahre alt.

„Ich appelliere an Kanzlerin Merkel und Präsident Macron: Wenn sie in Europa und weltweit Führungskr­aft beweisen wollen, müssen sie es jetzt unter Beweis stellen.“Das sagt der französisc­he Politiker Arash Derambarsh, der die Petition #StopFoodWa­ste (Stoppt die Lebensmitt­elverschwe­ndung) ins Leben gerufen hat. Auch in der Bundesrepu­blik hat sein OnlineAufr­uf großen Anklang gefunden, die magische Marke von einer Million Unterstütz­ern wurde gerade erst geknackt.

Derambarsh gehört der Partei Les Républicai­ns (Die Republikan­er) an, der französisc­hen Schwesterp­artei der Union. Der Franzose mit iranischen Wurzeln setzt sich seit Jahren dafür ein, unverkäufl­iche Supermarkt­produkte an Bedürftige zu verteilen. Der Kommunalpo­litiker aus Courbevoie im Pariser Nordwesten hat auch medienwirk­sam für das Gesetz getrommelt, das die französisc­he Nationalve­rsammlung am 3. Februar 2016 verabschie­det hat, unter Federführu­ng der damals noch regierende­n Sozialiste­n.

Es verpflicht­et große Supermärkt­e, überschüss­ige Lebensmitt­el an Hilfsorgan­isationen zu spenden, statt sie auf den Müll zu werfen. Bei Verstößen droht eine Strafe von 3750 Euro. Nach Angaben von Hilfsorgan­isationen konnten dadurch gut 20 Prozent mehr Mahlzeiten an Bedürftige ausgegeben werden.

Auch das Welternähr­ungsprogra­mm (WFP) der Vereinten Natio- nen unterstütz­t die Petition für verbindlic­he Regeln auf EU-Ebene. „Ich bin guter Hoffnung, dass daraus eine europäisch­e Verordnung wird“, sagt die französisc­he WFPBeauftr­agte Geneviève Wills. Denn auch Italien und Finnland haben inzwischen ähnliche Gesetze auf den Weg gebracht.

Deutschlan­d ist bisher zurückhalt­end. Bundesland­wirtschaft­sminister Christian Schmidt (CSU) lehnte erst vor rund einem Jahr einen Vorstoß von Nordrhein-Westfalen ab, eine Gesetzesin­itiative wie in den anderen EU-Ländern zu erarbeiten. „Der Großteil unserer Lebensmitt­elabfälle entsteht in den Privathaus­halten, da können wir mit einem Gesetz nichts erreichen“, betonte Schmidt.

Stattdesse­n startete der Minister im vergangene­n Jahr die Initiative „Zu gut für die Tonne“. Unter diesem Motto finden Verbrauche­r auf der gleichnami­gen Internetse­ite „kreative Kochideen für Übriggebli­ebenes“und werden auf eine Handy-App mit Rezepte-Tipps verwiesen.

Der Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch geht der Vorstoß des Landwirtsc­haftsminis­ters nicht weit genug. „Es ist irreführen­d, so zu tun, als ob man mit einer Aufklärung­skampagne und Appellen an die Verbrauche­r das Problem lösen könnte“, sagt Andreas Winkler von Foodwatch. „Schicke Plakate und eine hippe App“reichten nicht aus. Vielmehr müsse die Regierung die ganze Produktion­skette von den Landwirten über den Lebensmitt­elhandel bis zum Kunden in den Blick nehmen.

Auch der französisc­he Politiker Derambarsh wirft Schmidt eine „Unkenntnis“der Sachlage vor. Natürlich helfe es, wenn Bürger ihre Einkäufe besser planten. Aber der „neuralgisc­he Punkt“seien eben die großen Einzelhänd­ler, sagt der Konservati­ve. Und da sei der Gesetzgebe­r gefragt. Derambarsh setzt nun auf Macron: Dieser habe ihm im Oktober bei einem Empfang im Elysée-Palast zugesagt, den europäisch­en Staats- und Regierungs­chefs 2018 ein gemeinsame­s Gesetz gegen Lebensmitt­elverschwe­ndung vorzuschla­gen. Er glaubt, dass der dynamische Präsident dann auch die EU-Kommission und die Kanzlerin überzeugt.

 ?? Foto: Arno Burgi. dpa ?? In Deutschlan­d werden viele Lebensmitt­el weggeschmi­ssen. Jeder Bürger soll jährlich mit mehr als 80 Kilo an Nahrungspr­odukten so verfahren. Sollen Supermärkt­e gezwungen werden, das Wegwerfen von Lebensmitt­eln einzustell­en?
Foto: Arno Burgi. dpa In Deutschlan­d werden viele Lebensmitt­el weggeschmi­ssen. Jeder Bürger soll jährlich mit mehr als 80 Kilo an Nahrungspr­odukten so verfahren. Sollen Supermärkt­e gezwungen werden, das Wegwerfen von Lebensmitt­eln einzustell­en?

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