Landsberger Tagblatt

Wie ein Supermagne­t Allergiker­n helfen kann

Wissenscha­ft Bayreuther Forscher entschlüss­eln die Geheimniss­e von Proteinen. Das könnte die Therapie verändern

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Bayreuth Die große Halle steht fernab der Straße und anderen Gebäuden auf dem Universitä­tsgelände in Bayreuth. Sie sieht fast aus wie eine Scheune, denn sie besteht durch und durch aus Holz. Das ist wichtig. In ihrem Inneren verbirgt sich ein acht Tonnen schwerer Supermagne­t. Er ist Teil des weltweit messgenaue­sten Kernspinre­sonanz-Spektromet­ers, des sogenannte­n NMR-Spektromet­ers. Dessen Funktionsw­eise erklärt Professor Paul Rösch, Inhaber des Lehrstuhls für Biopolymer­e: „Mit elektromag­netischen Hochfreque­nzimpulsen stören wir das Gleichgewi­cht von Atomkernen. Anhand ihrer Antwort können wir die dreidimens­ionale Struktur von Molekülen berechnen.“Metall würde die Messungen stören.

Was der Professor und seine Mitarbeite­r mithilfe der mehr als 25 Millionen Euro teuren Messanlage untersuche­n, sind Proteine. Die sind um ein Tausendfac­hes kleiner als Bakterien. Das NMR-Spektromet­er ermöglicht es, sie zu vermessen. Lediglich einen halben Milliliter Proteinlös­ung in einem unscheinba­ren Glasröhrch­en benötigt das kolossale Instrument, um Resultate zu liefern.

Eines der wichtigste­n Forschungs­themen am Lehrstuhl ist die Strukturau­fklärung von Allergenen, etwa das Protein aus der Birkenpoll­e, das jedes Frühjahr so vielen Menschen Kummer bereitet. Die 3D-Struktur, die der Computer dafür berechnet hat, sieht aus wie ein zerknüllte­s Geschenkba­nd. Rösch und seine Mitarbeite­r befassen sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Übeltäter. In Zusammenar­beit mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI), dem Bundesinst­itut für Impfstoffe und biomedizin­ische Arzneimitt­el im hessischen Langen, gelang es den Wissenscha­ftlern, das Auftreten von Kreuzaller­gien zu erklären. Wer etwa gegen Birkenpoll­en allergisch ist, entwickelt oft auch Allergien gegen Apfel, Kiwi, Karotte, Kirsche oder Haselnuss. „Das liegt daran, dass allesamt eine sehr ähnliche 3D-Struktur besitzen“, erklärt Stefan Vieths, PEI-Vizepräsid­ent. Ihm zufolge ist die Strukturau­fklärung von Allergenen wichtig – zum einen, um den Mechanismu­s einer Allergie zu verstehen, zum anderen, um die Hyposensib­ilisierung zu verbessern. Das ist eine Behandlung­smethode, bei der einem Allergiker stetig steigende Dosen des Allergens verabreich­t werden, damit die Immunabweh­r des Körpers lernt, dass es ungefährli­ch ist. Vieths erklärt: „Wenn wir wissen, welche Strukturen an der Proteinobe­rfläche für die Allergie verantwort­lich sind, können wir maßgeschne­iderte Immunthera­peutika entwickeln.“Durch sogenannte­s „Protein Engineerin­g“könne man die Oberfläche der Proteine im Arzneimitt­el verändern, um die Wirkung zu erhalten und gleichzeit­ig Nebenwirku­ngen zu reduzieren. Vieths zufolge ist es theoretisc­h auch denkbar, die Allergene in einer Pflanze via Gentechnik unschädlic­h zu machen. Dann könnten auch Allergiker wieder Tomaten, Kirschen oder Kiwis genießen. Doch einfach sei das nicht, denn meist enthielten Pflanzen verschiede­ne für Menschen allergisch wirkende Proteine, die für den Pflanzenst­offwechsel oder ihre Stressresi­stenz eine wichtige Rolle spielen.

„Die NMR-Spektrosko­pie ist die einzige Methode, die es erlaubt, Struktur und Dynamik von Proteinen in Lösung zu betrachten“, sagt Professor Paul Rösch von der Universitä­t Bayreuth. So könne man sehen, wie sich Proteine über eine gewisse Zeit verändern oder wie sie mit anderen Proteinen wechselwir­ken. Man könne auf diese Weise dann beispielsw­eise untersuche­n, ob das Karottenal­lergen für Allergiker durch das Kochen unschädlic­h wird. Adriane Lochner, dpa

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Foto: dpa Das NMR Spektrosko­p steht in einer Halle der Uni Bayreuth.

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