Landsberger Tagblatt

Kein großes Ding

Theater Augsburg Die Erstlingso­per „Prima Donna“des Pop- und Songwriter-Stars Rufus Wainwright tendiert hart zur Langeweile

- VON RÜDIGER HEINZE

Augsburg Das Künstlertu­m und die Tragikomik hinter den Kulissen bespiegelt die Oper seit langem in quasi-kabarettis­tischen Werken wie Mozarts „Schauspiel­direktor“und Straussens „Ariadne“. In Rufus Wainwright­s Oper „Prima Donna“, die das Theater Augsburg jetzt als Deutsche Erstauffüh­rung herausbrac­hte, überwiegt – trotz mancher komischen Situation – die Tragik: Régine Saint Laurent, einst gefeierte Opernsänge­rin, die vor sechs Jahren ihre Stimme verlor (Vorgeschic­hte des Stücks), empfängt zum avisierten Comeback an einem Morgen und Abend einen Musikjourn­alisten, mit dem sie sich in Erinnerung­en an ihre letzte große Rolle „Aliénor“ergeht. Am Ende des Tages dann, so das Finale von „Prima Donna“, entscheide­t sie, ihr Comeback nicht anzutreten. Es ist ein 14. Juli in Paris, Tag des Beginns der Französisc­hen Revolution 1789.

That’s it. Kein großes Ding. Eher unterkompl­ex. Das Libretto liest sich wie ein einzelner Akt aus einer größeren tragischen Oper, deren Ende vorenthalt­en bleibt. Rufus Wainwright, der amerikanis­ch-kanadische Pop- und Songwriter-Star, Jahrgang 1973, hat eine gut zweistündi­ge Elegie komponiert, einen gut zweistündi­gen Abgesang, dessen Identifika­tions- und Erschütter­ungskraft sich in deutlichen Grenzen hält. Der Plot ist arg beschaulic­h – bis hin zur Langeweile. Nun gehört zur Gattung Oper natürlich auch das Kontemplat­ive. Und damit das Melancholi­sche und Schicksalh­afte, das Dräuende und Gelähmte, die Abhandlung vergangene­r Zeit und die Erinnerung an Lebenshöhe­punkte. Wainwright­s Oper aber hat darin nur wenige Reize. Über gut zwei Stunden trägt sie nicht. Das sonderbar’ Ding Zeit und die Suche nach ihrem Verlust haben andere knapper und dichter vertont.

Womit wir bei der Partitur von „Prima Donna“sind. Das teils intime Bühnen-Kammerspie­l, im Grunde ein Konversati­onsstück, wird regelrecht geflutet von Großorches­trierung und musikalisc­hen Reminiszen­zen. Puccinesk hebt es an, und in den Fußstapfen von Belcanto, Spätromant­ik und Impression­ismus geht es tonal-rauschhaft weiter – mit ein paar Würz-Dissonanze­n fürs Pikante. Dazu kommen Filmmusik-suspense, minimal music, Pop-Harmonieve­rbindungen, Volkslied, ein jazziger walking bass, Orgelkläng­e, Blechbläse­r-Choral, die Marseillai­se. Keine Frage: Rufus Wainwright hat die Musikgesch­ichte und Große Oper inhaliert. Und das musste dann wieder raus, musste bewiesen sein. So gilt für die Kompositio­n gleichfall­s: Der Aufwand entspricht nicht dem Ertrag und ästhetisch­en Erlös. Effektvoll freilich ist das Stück – und die Augsburger Philharmon­iker legen sich unter Lancelot Fuhry verführeri­sch ins Zeug, letztlich die Musik hebend.

Der Unterschie­d zwischen der fiktiven Opernsänge­rin Régine Saint Laurent und ihrer Verkörperu­ng durch Augsburgs Sopranisti­n Sally du Randt ist: Sally du Randt hat ihre Stimme alles andere als verloren. Wainwright fordert viel Schwierige­s und Hohes, und du Randt vollbringt es in einer gelungenen psychologi­sierenden Balance zwischen Selbstbewu­sstsein und Zaghaftigk­eit von Régine. Ihre Entourage: die stimmlich quecksilbr­ige Jeannette Wernecke (Marie), Wiard Witholt mit wohltönend-warmem Bariton (Philippe) und Roman Poboinyi, der als Journalist André zu tenoraler Emphase drängt, dem aber nicht nur beim Registerwe­chsel mehr Geschmeidi­gkeit zu wünschen ist.

In der Jetztzeit, als ein nächtliche­s Stück der Verfolgung, hat Hans Peter Cloos den Opernerstl­ing Wainwright­s inszeniert und ausgestatt­et. Eingeblend­ete historisch­e Filmzitate, eingeblend­ete Rückblicke auf du Randts große Augsburger Rollen, Live-Cams produziere­n immer wieder Bezug zum großen Vergangenh­eitsund kleinen Gegenwarts­spiel dieser Oper – inhaltlich wie musikalisc­h betrachtet.

Nächste Aufführung­en 7., 9., 15. Februar; 2., 10., 18., 27. März

 ?? Foto: Jan Pieter Fuhr ?? Sally du Randt als fiktive Opernsänge­rin Régine Saint Laurent.
Foto: Jan Pieter Fuhr Sally du Randt als fiktive Opernsänge­rin Régine Saint Laurent.

Newspapers in German

Newspapers from Germany