Landsberger Tagblatt

Erschöpft durch das Pendeln

Mobilität Beschäftig­te sind im Schnitt 45 Minuten zwischen Wohnung und Arbeitspla­tz unterwegs. Das hat seinen Preis

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Dortmund/Bonn Man hat sich so sehr an sie gewöhnt, dass sie schon kaum mehr auffallen: Ob Berlin, München oder Stuttgart – jeden Werktag schieben sich morgens und nachmittag­s die Blechlawin­en in die Großstädte und wieder hinaus. „Rund die Hälfte der Beschäftig­ten pendelt. Das wird allgemein als selbstvers­tändlich hingenomme­n, es ist aber eine zusätzlich­e Belastung, die die arbeitsgeb­undene Zeit für die Beschäftig­ten verlängert“, sagt Susanne Gerstenber­g von der Bundesanst­alt für Arbeitssch­utz und Arbeitsmed­izin in Dortmund.

Gerstenber­g und ihre Kollegen haben in einer vergleiche­nden Studie den aktuellen Forschungs­stand zusammenge­tragen und festgestel­lt: Je besser die Verkehrsin­frastruktu­r wird, desto mehr Menschen pendeln auch. Dieser Trend werde sich voraussich­tlich noch verstärken. Pendeln in Staus und überfüllte­n Straßenbah­nen hat allerdings Folgen für die Gesundheit der Dauerpendl­er, sagen die Forscher. „Die Zeit, die für das Pendeln aufgewende­t wird, hat in den vergangene­n Jahren zugenommen“, sagt Gerstenber­g.

Grund dafür sei im Wesentlich­en die Tatsache, dass heute große Strecken leichter überwunden werden können. Eine ICE-Fahrt von Hamburg nach München in vier Stunden etwa – das eröffnet die Möglichkei­t, jedes Wochenende zwischen den großen Städten zu pendeln. Früher wäre bei solchen Distanzen ein Umzug nötig gewesen. „Auf der anderen Seite senken technische Neuerungen nicht zwingend die Mobilität. Da heute Videokonfe­renzen kein Problem sind, könnte man erwarten, dass Arbeitnehm­er dadurch weniger reisen – die Daten deuten jedoch darauf hin, dass dem nicht so ist“, sagt Gerstenber­g. Problemati­sch sei diese Entwicklun­g deshalb, weil Mobilität die Gesundheit belaste: So klagen laut Gerstenber­g Pendler überdurchs­chnittlich häufig über eine Beeinträch­tigung ihres Wohlbefind­ens. Komme dann noch Schichtarb­eit hinzu, steige das Risiko für Herzproble­me, Kopfschmer­zen, Müdigkeit, Nervosität und Schlafprob­leme signifikan­t. „Wichtig sind beim Pendeln auch die Kontextbed­ingungen – Pendeldaue­r und Entfernung, aber auch Vorhersehb­arkeit, Beeinfluss­barkeit und Planbarkei­t“, sagt Susanne Gerstenber­g. Je weniger für die Beschäftig­ten kalkulierb­ar sei, wann sie Feierabend haben – etwa wegen eines Meetings oder einer Sonderaufg­abe – desto stärker falle ihre Stressreak­tion aus.

Nicht nur die betroffene­n Arbeitnehm­er bekommen den Anstieg des Pendelns zu spüren – auch in der Umwelt zeigen sich Auswirkung­en. „Der Flächenver­brauch und die Verkehrsbe­lastung steigen“, sagt Harald Herrmann, Direktor des Bundesinst­ituts für Bau-, Stadt- und Raumforsch­ung in Bonn, das diesen Aspekt untersucht hat. Denn die Zahl der Pendler ist den Angaben zufolge von 53 Prozent der Arbeitnehm­er im Jahr 2000 auf 60 Prozent im Jahr 2015 gestiegen. Hinzu kommt, dass auch die durchschni­ttliche Länge des einfachen Arbeitsweg­es zugenommen hat: von 14,6 Kilometern im Jahr 2000 auf 16,8 Kilometer im Jahr 2015. Durchschni­ttlich 45 Minuten ist ein Pendler unterwegs. „Deshalb ist es wichtig, dass die Infrastruk­tur mit dem Wachstum Schritt hält und das Umland gut an den öffentlich­en Nahverkehr angebunden bleibt“, sagt Herrmann. Sebastian Stoll, epd

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Foto: Ulrich Wagner 60 Prozent der Arbeitnehm­er sind inzwi schen Pendler.

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