Landsberger Tagblatt

Ein Amerikaner in Landsberg

Porträt Auf den Spuren von Peter Wilsons „Landsberge­r Leuten“. Heute: Eugene Hostetler. Was Basketball mit Gott zu tun hat

- VON SILKE FELTES

Landsberg Es gibt doch nichts Spannender­es als den Menschen. Jeden Einzelnen. Seinen Lebensweg, seine Beweggründ­e, die Dinge zu tun, die er tut. Seine Sehnsüchte und Träume. All die großen und kleinen Geschichte­n. Das Schicksal mischt die Karten, und wir spielen, soll Arthur Schopenhau­er gesagt haben. Da steht ein Mensch vor dir, einzigarti­g wie eine Schneefloc­ke, von denen es nicht zwei gleiche gibt. Wenn man Glück hat, zeigt er ein wenig von seiner Einzigarti­gkeit, vielleicht auf einen Foto von Peter Wilson, vielleicht in unserer Porträtser­ie auf den Spuren des stadtweit bekannten Fotografen mit seiner Reihe „Landsberge­r Leute“.

Durch die Tür kommt ein großer, sportlich aussehende­r Mann, lässig gekleidet. Ganz klar: ehemaliger Basketball­spieler. Die langen, dunkelblod­en Haare zum Zopf gebunden, ein Käppi mit dem Aufdruck „USA“tief ins Gesicht gezogen. Ein patriotisc­her Amerikaner? Auch das. Freundlich­e blaue Augen, ein leichter Akzent und dieser unvergleic­hlich offene Charme, wie ihn nur amerikanis­che Surfertype­n haben. Eugene Hostetler lebt seit 20 Jahren in Deutschlan­d, seit 2004 in Landsberg, hat 2015 eine Landsberge­rin geheiratet. Neben seiner jungen Familie glüht er für drei Dinge: Basketball, Amerika und Gott.

1968 im kleinen Ostküstenb­undesstaat Maryland geboren, aufgewachs­en als Jüngstes von fünf Kindern einer (später) alleinerzi­ehenden Mutter im Rustbelt-Staat Ohio. In einer ländlichen Gegend, die damit wirbt, hier sei alles etwas an- ders, langsamer, altmodisch­er, traditione­ller. Ohio ist „Amish Country“. Alles, von Lebensmitt­eln bis zu Möbeln, wird hier „the old-fashioned way“gemacht, wie vor 300 Jahren, ohne Strom, ohne elektrisch­e Hilfsmitte­l. Eine tiefreligi­öse protestant­ische Glaubensge­meinschaft, deren Wurzeln in der reformator­ischen Täuferbewe­gung Süddeutsch­lands und der Schweiz liegen.

Auch Eugene Hostetlers Vorfahren sind 1738 aus der Schweiz dorthin ausgewande­rt. Noch vor der Geburt der Kinder verließen die Eltern die Amischen und wendeten sich dem mennonitis­chen Glauben zu, einer evangelisc­hen Freikirche aus der Täuferisch­en Tradition, eng verwandt mit den Amischen, aber liberaler. Dieser Glaube wird Eugene Hostetler sein Leben lang begleiten, mit allen Höhen und Tiefen, und letztlich wird er ihm seine Frau Miriam bringen.

Doch der Reihe nach. Mit acht Jahren begann Eugene Basketball zu spielen, weil seine vier älteren Geschwiste­r auch diesen Sport betrieben. Der Junge „leckte Blut“, es wurde „sein“Sport. Er brachte ihm sogar Stipendien ein, um an verschiede­nen Universitä­ten des Landes studieren zu können. Nach seinem Abschluss (vergleichb­ar in Deutschlan­d in etwa mit „Soziale Studien“) arbeitete er zunächst fünf Jahre in Indiana in einer Psychiatri­eklinik, bevor ihn ein Programm der mennonitis­chen Kirche nach Deutschlan­d brachte. Da war Eugene 27 Jahre alt und gerade von seiner ersten Frau geschieden.

Sechs Monate arbeitete er im Rahmen dieses Programmes in der Nähe von Karlsruhe, dann bei Ingolstadt. Natürlich suchte er sich gleich einen Basketball­verein, der ihn nach Ende seines einjährige­n Aufenthalt­s einlud, profession­ell einzusteig­en. Als Spieler und als Jugendtrai­ner. Über einen Pastor seiner Gemeinde kam er nach Dachau, spielte dort profimäßig für drei Jahre, wechselte nach Augsburg. Schließlic­h zeigte der DJK Landsberg Interesse an dem engagierte­n Sportler. Damals, so Hostetler, spielte Landsberg in der ersten Regionalig­a, innerhalb von fünf Jahren waren sie viermal aufgestieg­en. Ein Höhepunkt im Landsberge­r Basketball­leben. Zurzeit ist Eishockey und American Football wieder angesagter, sagt Hostetler.

Über mehr als zehn Jahre pendelte er zweimal jährlich zwischen den USA und Deutschlan­d hin und her. 2007 suchte er sich zusätzlich­e Hilfsjobs in Landsberg, wechselte in die Produktion eines medizintec­hnischen Betriebes in Türkenfeld und blieb von da an mit unbefriste­ter Aufenthalt­sgenehmigu­ng in Landsberg. Das Basketball­spiel wurde weniger, „ich war 40, ich konnte

Das Jüngste von fünf Kindern

Als der Glaube wieder wichtig wurde

nicht mehr so wie früher“. Es war auch eine Zeit, in der sein Glaube in den Hintergrun­d getreten sei.

Nach ein paar Jahren beschloss er, dass „Gott in meinem Leben wieder wichtig werden soll. Gott kennt unsere Herzen und unser Verlangen“, deshalb sei es kein Zufall, dass er kurz nach Eintritt in die hiesige evangelisc­he Freikirche Vineyard, seine Frau Miriam kennenlern­te und eine Familie gründete. Heute spielt seine 15-monatige Tochter Ella bereits mit einem kleinen Basketball und für August hat sich weiterer Nachwuchs angekündig­t. Wer weiß, vielleicht wird Eugene Hostetler ja noch mal in das Jugendtrai­ning einsteigen, wenn seine Kinder soweit sind.

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 ?? Foto: Peter Wilson ?? Eugene Hostetler begann im Alter von acht Jahren Basketball zu spielen. Neben dem Sport glüht er für Amerika, Gott und seine Fa milie.
Foto: Peter Wilson Eugene Hostetler begann im Alter von acht Jahren Basketball zu spielen. Neben dem Sport glüht er für Amerika, Gott und seine Fa milie.

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