Sündenbock gefunden
Zum Artikel „Schilcher droht Beamten status zu verlieren“vom 6. Februar:
Richter sind unabhängig. Sie sind aber nicht unfehlbar. Das weiß ich aus eigener jahrzehntelanger Richtertätigkeit. Deshalb dürfen richterliche Erkenntnisse auch kritisiert werden. Allerdings muss Kritik sorgfältig überlegt sein. Ich kenne die Akten des Schilcher-Verfahrens nicht. Auch habe ich nur einen kleinen Teil der Verhandlung im Gerichtssaal mitverfolgt.
Vor allem kenne ich die genauen Urteilsgründe nicht. Deshalb sind Vorsicht und Zurückhaltung geboten. Doch jenseits aller juristischer Handwerkskunst überzeugt das Urteil der Augsburger Strafkammer nicht. Es bleibt das ungute Gefühl, dass Stadtverwaltung, Staatsanwaltschaft und Gericht einen Sündenbock für die verhängnisvollen Derivatgeschäfte gesucht haben und ihn in der Person des ehemaligen Kämmerers gefunden haben. Keine Frage: Schilcher ist seiner dienstlichen Verantwortung nicht gerecht geworden.
Aber hat Schilcher den Vermögensschaden für die Stadt „billigend in Kauf“genommen, wie es für eine Verurteilung erforderlich ist? Wie überzeugend ist der Vorwurf bei einem Kämmerer, dem der Oberbürgermeister bei seiner gerichtlichen Vernehmung Bestnoten erteilt hat (natürlich für all seine Arbeit, abgesehen von den Derivatgeschäften)? Wie groß ist die Schuld eines Kämmerers, der aus dem Spekulationssumpf aussteigen wollte, als die Verluste deutlich wurden, vom OB aber meiner Meinung nach daran gehindert wurde?
Über all diesen Fragen schwebt eine bisher unausgesprochene Frage: Wenn also der Kämmerer den Schaden billigend in Kauf genommen hat, warum ist es beim Oberbürgermeister, bei den Mitgliedern des Finanzausschusses, beim Haushaltsreferenten, beim Stadtrat prinzipiell anders? Es ist doch unbestreitbar, dass sie alle über die Derivate Bescheid wussten, der eine mehr, die anderen etwas weniger.
Fazit: Selbst, wenn das Urteil gegen Schilcher juristisch vertretbar sein sollte, befriedigend ist es nicht.
Peter Vonnahme, Kaufering