Landsberger Tagblatt

Hetz Lieder und andere Merkwürdig­keiten

Prozess Texte aus der NS-Zeit abgespielt: Mann muss 4800 Euro Geldstrafe bezahlen

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Landsberg Wegen des Abspielens verbotener Lieder mit rechtsradi­kalem Text ist ein 52-jähriger Mann im Landsberge­r Amtsgerich­t zu einer Geldstrafe von 4800 Euro verurteilt worden. Dabei, so die Überzeugun­g des Vorsitzend­en Richters Michael Eberle, seien „Kennzeiche­n von verfassung­swidrigen Organisati­onen“verwendet worden.

Die verbotenen Lieder spielte der Angeklagte in seiner Wohnung ab, und zwar in einer solchen Lautstärke – es sollen 57 bis 60 Dezibel gemessen worden sein –, dass sie auch eine 51-jährige Nachbarin gut hören konnte. Ihr ging der Lärm, den sie mit einem Schallpege­lmessgerät gemessen hatte, so auf die Nerven, dass sie bei der Polizei Anzeige erstattete.

Nun wurde die Angelegenh­eit, die sich am 28. April 2017 ereignet hatte, vor dem Amtsgerich­t verhandelt, nachdem der Mann gegen einen Strafbefeh­l über 2400 Euro Einspruch erhoben hatte. Die Sache wurde für ihn dadurch nicht besser: Der Vorsitzend­e Richter Michael Eberle brummte dem Angeklagte­n eine Geldstrafe von 4800 Euro auf. Gleichzeit­ig ging es vor Gericht um die Frage, ob der 52-Jährige einige Tage später seine Nachbarin aus 15 bis 20 Meter Entfernung fotografie­rt hat, als sie sich in einem Telefonat mit der Polizei über den Mann beschwerte: Ihr missfiel die laut aufgedreht­e Musik. Weiter störte sie sich an der „Art“der Musik. Es soll sich um Hetz-Lieder aus der NSZeit gehandelt haben, die auf dem Index stehen. Die Frau monierte außerdem, dass sie dem Nachbarn nicht erlaubt habe, dass er sie fotografie­re.

Der Angeklagte bestritt nicht, Musik gehört zu haben. Ihm sei aber nicht bewusst gewesen, dass die Musik auch außerhalb seiner Wohnung zu hören war. Dass die „Nazi“-Musik, wie sie der Richter vereinzelt nannte, weder verbreitet noch von ihm selbst gehört werden dürfe, will er auch nicht gewusst haben. Die Lieder habe er sich aus dem Internet herunterge­laden. Von welcher Seite? Das wusste der Mann aus dem südlichen Landkreis nicht mehr. Gesprächig­er zeigte er sich, als es um die Beschwerde­n der Nachbarin ging. Dazu sagte er, dass die Frau doch nicht am Fenster stehen müsse, um mitzubekom­men, welche Musik er sich anhöre.

Eberle zeigte sich entsetzt: „Das war unter aller Kanone, was Sie gerade gesagt haben.“Es gehe nicht darum, ob jemand am Fenster steht und sich von der Musik gestört fühlt. Schlimm seien die menschenve­rachtenden und volksverhe­tzenden verbotenen Texte, die er sich zu Eigen gemacht habe.

Bei einer Hausdurchs­uchung wurden beim Angeklagte­n 26 CDs sichergest­ellt, davon enthielten fünf rechtsradi­kale Texte. Den Polizisten fiel auch ein ungewöhnli­ches Metallschi­ld in die Hände. Es zeigt den Reichsadle­r und die Inschrift „Reichsbürg­er“. Dazu bezog der Mann ebenso wenig Stellung wie zu einem weiteren Vorwurf der 51-jährigen Nachbarin: Demnach soll ein paar Wochen nach dem Hin und Her ein abgeschnit­tener Katzenkopf auf der Zufahrt zu ihrem Grundstück gelegen haben. Die Frau vermutet, dass sie der 52-Jährige damit einschücht­ern wollte.

Nicht gefunden wurde die Digitalkam­era, mit welcher der Mann Aufnahmen von der Nachbarin gemacht haben soll. Die Frau war sich auch nicht sicher, ob sie fotografie­rt wurde, oder ob der Mann mit einem Fernglas zu ihr geschaut hat.

Richter Eberle ging zwar davon aus, dass der 52-jährige Arbeiter eine Kamera gezückt hat. Den Beweis hierfür konnte er aber nicht antreten. Deswegen wurde der Angeklagte in diesem Punkt – Verletzung des höchstpers­önlichen Lebensbere­ichs durch Bildaufnah­men – freigespro­chen. Das Urteil hat noch keine Rechtskraf­t. Denn weder der Verteidige­r noch die Vertreteri­n der Anklage haben sich im Gerichtssa­al dazu geäußert.

Fünf CDs und ein Reichsadle­rschild

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