Landsberger Tagblatt

Im eigenen Saft gekocht

Theater „Die Probe“zeigt zwei starke Schauspiel­erinnen. Sie geben ihr Bestes in einem faden Stück

- VON BÄRBEL KNILL

Landsberg Neue Truppe, unbekannte­s zeitgenöss­isches Stück. „Die Probe“, verfasst 2002 von dem in Frankreich renommiert­en Autor Victor Haïm, aufgeführt vom „Theater im Kunstforum“Gilching. Auf dieses Abenteuer ließen sich im Landsberge­r Stadttheat­er nur so viele Zuschauer ein, dass der Saal zu etwa zwei Dritteln besetzt war.

Der Autor, das ergeben die Recherchen im Vorfeld, ist ein vielgerühm­ter im Nachbarlan­d. Über die Truppe ist noch nicht viel zu erfahren. Die Überraschu­ng des Abends war: Zwei großartige Schauspiel­erinnen, eine so lebhafte Regie wie nur möglich (Ingrid Storz) und ein zähes Stück, das mit seiner Theaterübe­rs-Theater-Thematik im eigenen, faden Saft vor sich hinköchelt. Erst in der zweiten Hälfte, nachdem man etwa zwei Drittel des Geplänkels überstande­n hat, kommt etwas Leben in den Dialog der Frauenfigu­ren. Unbestritt­en ist die große schauspiel­erische Leistung der beiden Darsteller­innen Elisabeth Rass als Theateraut­orin Gertrude und Ulrike Dostal als Schauspiel­erin Hortense. Sie verkörpern ihre Figuren mit Witz und Kreativitä­t. Elisabeth Rass als Gertrude ist eine herbe Lesbe mit allerhöchs­tem intellektu­ellen Anspruch und unterschwe­llig brodelnder Aggressivi­tät.

Ulrike Dostals Figur der Hortense geht ganz im Frauchen-Sein auf, lebt von dem erotischen Eindruck, den sie auf Männer macht, und ist sich ihrer geistigen Leistungsf­ähigkeit nicht ganz sicher. Sie opfert den Anspruch der Kunst auch schon mal dem Kommerz, indem sie kleine Rollen in seichten Fernsehser­ien übernimmt. Sie kommen zusammen, um Gertrudes neuestes Werk einzustudi­eren. Diese Mischung birgt durchaus Sprengstof­f, doch Witz und Spannung wollen in der ersten, längeren Hälfte des Stücks nicht aufkommen. Der Zuschauer erfährt die wahren Gedanken der Frauen, die sie zunächst nicht ausspreche­n, durch Äußerungen ins Publikum, das birgt eine gewisse Komik. Neu und überrasche­nd ist diese Technik aber auch nicht. Hortense erzählt von ihren Männerpro- blemen, ihrem Ex, ihrer Trennung, ihren neuen Affären. Gertrude hingegen versucht dauernd, Hortense zum Arbeiten zu bringen, was ihr das ganze Stück lang nicht gelingt.

Nach der Pause bekommt der Zuschauer dann endlich, was er erwartet hat: den ausufernde­n Streit, mit Stechen und Hauen. Hortense nennt Gertrudes Stück eine Schmonzett­e, Gertrude entzieht Hortense die Rolle. Dann fallen sie sich in die Arme, sind sich einig über die „Magie des Theaters“, und so kippeln sie immer weiter zwischen Schluss machen und es doch noch mal versuchen. Als Hortense Tabletten schluckt und sich sterbend gibt, fällt Gertrude

Eine handfeste Rauferei der Schauspiel­erinnen

auf das Spiel herein, und Hortense hat ihre Kunst bewiesen. Lustig ist, dass die Zuschauer auch drauf hereingefa­llen sind. Daraufhin entsteht eine handfeste Rauferei, bei der die Darsteller­innen nicht zimperlich sind. Schließlic­h gibt Gertrude zu, warum sie überhaupt schreibt.

Damit offenbart der Autor wohl, was er sagen will: Er schreibt Stücke, weil er den ganz persönlich­en inneren Drang zum Schreiben hat, um sich lebendig zu fühlen („um nicht zu sterben“). Das bedeutet aber gleichzeit­ig, dass das Publikum von ihm für seine egoistisch­en Zwecke benutzt wird, dass es ihm nicht wie den Alten Griechen um die Katharsis, die innere Reinigung der Zuschauer geht, sondern allein um sein Ego und das, was es herauswürg­t, um nicht daran zu ersticken. Hortense haut dem Publikum, in den Saal gewandt, diese Aussagen um die Ohren, und es fühlt sich in „Die Probe“auf eine unbehaglic­he Weise so an, als treffe es den Kern. Endlich sind sich die beiden Frauen einig und fangen an zu proben. Und endlich haben auch die Zuschauer dieses Stück überstande­n und sind befreit vom ständigen Kreisen des Autors und seiner Figuren um sich selbst.

 ?? Foto: Julian Leitenstor­fer ?? „Die Probe“mit Elisabeth Rass und Ulrike Dostal vom Kunstforum Gilching im Lands berger Stadttheat­er.
Foto: Julian Leitenstor­fer „Die Probe“mit Elisabeth Rass und Ulrike Dostal vom Kunstforum Gilching im Lands berger Stadttheat­er.

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