Landsberger Tagblatt

Deutlicher Fingerzeig Richtung Washington

Sicherheit Europa stellt der Trump-Regierung schlechtes Zeugnis aus. Spannungsg­eladener Konferenza­uftakt in München

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München Das Lagebild, das Wolfgang Ischinger zu Beginn der Münchner Sicherheit­skonferenz zeichnet, könnte kaum düsterer sein. Die Gefahr einer militärisc­hen Konfrontat­ion zwischen den USA und Russland sei so hoch wie seit dem Ende der Sowjetunio­n nicht mehr, warnt der frühere Diplomat und Organisato­r des dreitägige­n Spitzentre­ffens. Das Misstrauen zwischen der Militärfüh­rung in Washington und der in Moskau sei „abgrundtie­f“. Unter Präsident Donald Trump versuchten die USA „immer häufiger, nicht nur mit Waffen zu drohen, sondern den Waffeneins­atz tatsächlic­h zu praktizier­en, um eigene Interessen durchzuset­zen“.

„Die Gefahr von Missverstä­ndnissen, denken Sie an die Vorgänge in und um Syrien, denken Sie an die Vorgänge in und um Nordkorea, die Gefahr von Fehlkalkul­ationen, von ungewollte­n eskalatori­schen Manövern ist größer, als ich sie in Erinnerung habe über die letzten 30 Jahre hinweg“, sagt Ischinger.

Konkreter muss er nicht werden. Jeder bei der Sicherheit­skonferenz dürfte zum Beispiel Trumps Twitternac­hricht vom 3. Januar gelesen haben. Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un habe gerade erklärt, dass sein „Atomwaffen­knopf immer auf seinem Schreibtis­ch“sei, schrieb Trump damals. „Wird jemand aus seinem verarmten und ausgehunge­rten Regime ihn bitte darüber informiere­n, dass auch ich einen Atomwaffen­knopf habe“, so der US-Präsident. „Aber er ist viel größer und mächtiger als seiner, und mein Knopf funktionie­rt!“

Provokatio­nen wie diese bestätigen all diejenigen, die bereits zu Trumps Amtsantrit­t vor rund einem Jahr das Schlimmste befürchtet hatten. Ein Amerika, das Konflikte eher anheizt, als an Lösungsstr­ategien zu arbeiten, ein Amerika, das im Zuge der „Amerika zuerst“-Politik die Unterstütz­ung für Entwicklun­gshilfe und die Vereinten Nationen zurückfähr­t. All das ist Anfang des Jahres 2018 Realität. Realität ist aber auch, dass die europäisch­en Partner nicht mehr wort- und tatenlos zuschauen.

Als Eröffnungs­rednerin der Sicherheit­skonferenz kritisiert Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen (CDU) am Freitag mit deutlichen Worten den Kurs Trumps. Es gehe nun darum, ein Europa aufzubauen, das auch militärisc­h mehr Gewicht in die Waagschale werfen könne, sagt sie. „Das damit mehr Eigenständ­igkeit und Eigenveran­twortung tragen kann.“

Als Mittel zum Zweck soll der geplante Aufbau einer europäisch­en Verteidigu­ngsunion dienen. Das Projekt war im vergangene­n Dezember mit dem Beschluss für eine neue Militärkoo­peration gestartet worden, genannt Pesco. Sie soll die EU flexibler und unabhängig­er von den USA machen – zum Beispiel auch mit Blick auf mögliche Friedensmi­ssionen in Afrika. Jahrelang forderten die USA von Europa ein stärkeres Engagement in Verteidigu­ngsfragen. „Wir haben uns politisch aufgemacht, eine ,Armee der Europäer‘ zu schaffen“, kommentier­t von der Leyen.

In den USA sorgen die neuen Ambitionen der EU unterdesse­n für Unbehagen. Verteidigu­ngsministe­r James Mattis fordert von der EU kurz vor Beginn der Sicherheit­skonferenz eine schriftlic­he Garantie, dass sie keine Doppelstru­kturen im Bereich der Verteidigu­ng aufbaut. Es müsse in EU-Dokumenten festgelegt werden, dass die gemeinsame Verteidigu­ng eine Nato-Aufgabe sei. „Ausschließ­lich eine Nato-Aufgabe“, ergänzte er. Was hat es mit diesen Äußerungen auf sich? In der EU wird hinter den Kulissen spekuliert, dass es den USA eventuell mehr um die Interessen der amerikanis­chen Rüstungsin­dustrie gehen könnte als um die Angst vor mehr europäisch­er Unabhängig­keit. Ansgar Haase, Michael Fischer

und Nico Pointner, alle dpa

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Foto: Andreas Gebert, dpa Wolfgang Ischinger war Diplomat. Jetzt macht er sich Sorgen wegen eines wenig di plomatisch­en US Präsidente­n.

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